Versteigerung von Baselitz und Picasso für „unbelastete Zukunft“

Hannover (dpa) - Ausverkauf von Kulturgut, um einem klammen Haushalt zu helfen? Wenige Tage, nachdem Nordrhein-Westfalen mit der Versteigerung zweier Warhol-Bilder in New York den Streit um den Verkauf von Kunst angeheizt hat, gab es erneut eine aufsehenerregende Auktion.

Versteigerung von Baselitz und Picasso für „unbelastete Zukunft“
Foto: dpa

Doch diesmal ging es weniger um einen Tabubruch, Kunstwerke aus Staatsbesitz für das Stopfen von Haushaltslöchern zu veräußern, sondern um eine Benefiz-Auktion zugunsten der Kunsthalle Emden.

Versteigerung von Baselitz und Picasso für „unbelastete Zukunft“
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Am Freitagabend verwandelte sich das Schloss Herrenhausen in Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover von einem Tagungsort in ein Auktionshaus. Rund 350 Gäste - darunter Altkanzler Gerhard Schröder - waren erschienen - das Ziel: um hochkarätige Werke mitzusteigern und gleichzeitig der Kunsthalle Emden zu helfen.

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Das von „Stern“-Gründer Henri Nannen (1913-1996) und seiner Frau Eske 1986 in Ostfriesland eröffnete Museum steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Auf eine halbe Million Euro beläuft sich das Defizit aktuell. Freunde der Kunsthalle haben deshalb Werke aus ihrem Privatbesitz für die Versteigerung zur Verfügung gestellt.

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Etwa 80 hochkarätige Bilder und Skulpturen von namhaften Künstlern wie Georg Baselitz, Gerhard Richter oder Pablo Picasso kamen unter den Hammer. Henri Nannens Witwe Eske Nannen sagte zur Begrüßung: „Ich wünsche mir hohe Erlöse und, dass wir die Halle damit in eine unbelastete Zukunft führen können. Mein Herz ist voller Dankbarkeit für die viele Unterstützung, die vielen Künstler, die vielen Geldzuwendungen. Das ist alles nicht selbstverständlich.“

Christiane Gräfin zu Rantzau leitete die Auktion. Sie ist Chefin der Christie"s Deutschland GmbH und kam für den Abend extra aus New York angereist. Die Hälfte der zur Verfügung gestellten Werke wurde live im Auditorium des Schlosses versteigert, für die anderen Objekte konnte noch zwei Stunden länger schriftlich geboten werden.

Die Summe, die am Ende herauskam, hat die Organisatoren völlig überwältigt. Insgesamt spielte die Benefiz-Auktion 369 100 Euro ein. „Nach Abzug der Steuern rechnen wir damit, dass ein Betrag von rund 300 000 Euro übrig bleiben wird. Daran hätten wir im Traum nicht geglaubt“, sagte Kunsthallen-Sprecherin Ilka Erdwiens am Samstag.

Das Glanzstück der Live-Auktion war ein Aquarell von Georg Baselitz (76). Das titellose Porträt wurde im Vorfeld auf maximal 35 000 Euro geschätzt und fand schließlich für 39 000 Euro einen neuen Besitzer - das höchste abgegebene Gebot des Abends.

Ebenfalls versteigert wurde eine Lithographie von Pablo Picasso (1881-1973). Den Zuschlag für den Druck mit dem Titel „Deux femmes accroupies“ erhielt für 8800 Euro ein unbekannter Bieter über Telefon.

Die Kunsthalle in der kleinen Stadt Emden kämpft seit ihrer Eröffnung mit Geldproblemen. Mit einem Erweiterungsbau stiegen 2007 auch die laufenden Kosten. Die rot-grüne Landesregierung kündigte in diesem Jahr eine Erhöhung der Landesmittel auf 850 000 Euro an. Auch eine einmalige Sonderzuwendung von 100 000 Euro wurde zugesichert.

Was den Vergleich mit der Warhol-Auktion Nordrhein-Westfalens in New York angeht: Erst am Freitag hatte Niedersachsen betont, derzeit keinen Verkauf seiner Kunstschätze nach dem Vorbild des Nachbarbundeslandes zu planen. Die Staatskanzlei in Hannover teilte mit, die wertvolle Kunst in den Landesmuseen sei Kapital für die kulturelle Zukunftsfähigkeit und Entwicklung der Gesellschaft. Es gebe keine Ideen, Bestände der Museen zu verkaufen.

In NRW hatte der landeseigene Casino-Betreiber Westspiel zwei Bilder von Andy Warhol (1928-1987) zum Verkauf angeboten. Sie brachten in der Nacht zum Donnerstag umgerechnet gut 120 Millionen Euro ein.

Die Versteigerung hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. So befürchtet der Deutsche Kulturrat, dass andere Länder oder Kommunen diesem Beispiel folgen könnten. Auf dem überhitzten Kunstmarkt sind derzeit hohe Preise zu erzielen.

In den USA kann man schon länger den Trend beobachten. So galten etwa lange Zeit Ausverkaufspläne für Kunstwerke des Detroit Institute of Arts als mögliche Rettung der gebeutelten Metropole in Michigan.

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