Das Floß Unsichere Reise: Ostende-Triennale mit Jan Fabre

Ostende (dpa) - Blutrote Wollfäden, in denen Boote wie Insekten in Spinnnetzen gefangen sind. Der Titel der Rieseninstallation: „Uncertain Journey“, Unsichere Reise.

Das Floß: Unsichere Reise: Ostende-Triennale mit Jan Fabre
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Das raumgreifende Werk der in Berlin lebenden japanischen Künstlerin Chiharu Shiota fasziniert durch seine visuelle Ästhetik, wirkt aber beklemmend durch seine Botschaft. In der Arbeit geht es um Flüchtende auf dem Mittelmeer und um Fragen der Existenz.

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Das Werk ist zurzeit in Ostende im Museum für Schöne Künste zu sehen. Shiota ist mit mehr als 70 Künstlern, darunter Luc Tuymans, Marina Abramovic, Michaël Borremans und Berlinde de Bruyckere, der Einladung des belgischen Starkünstlers Jan Fabre und der Kunsthistorikern Joanna Devos gefolgt, an der Triennale der belgischen Hafenstadt teilzunehmen. Der Titel „Das Floß. Kunst ist (nicht) einsam“ lehnt sich an ein Werk von Fabre an.

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Im Mittelpunkt des bis zum 15. April dauernden Kunstevents an der belgischen Küste steht das Motiv des Floßes. Dabei werden die Werke an ungewöhnlichen Orten ausgestellt wie in den Reitställen der bekannten Rennbahn des Seebads und im 20. Stockwerk des höchsten Gebäudes der Stadt.

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Die visuellen Interpretationen der Thematik reichen von Selbstporträts auf einem Floß, mit denen Katie O’Hagan und Fabien Mérelle Wehrlosigkeit und Orientierungslosigkeit illustrieren, bis hin zu Fossilien, Ausdruck für unbewegliche und verkrustete Strukturen angesichts von Notstand und Elend.

Zu den ästhetisch spektakulärsten Arbeiten gehört das Boot von Michael Fliri. Es besteht aus rund 5 000 weißen Plastikflaschen. Vor zehn Jahren schon entwarf der in Südtirol geborene Künstler in Prato in der Toskana eine Version des Bootes. Damals habe die Arbeit seine Sehnsucht nach dem Meer zum Ausdruck gebracht, wie Fliri sagte. Die Flüchtlingskrise und das Problem des Plastikmülls verleihen heute seinem Werk jedoch eine ganz andere Bedeutung.

Berlinde de Bruyckere hat zusammen mit Mirjam Devriendt ein Video geschaffen, das die Arbeit in einer Gerberei zeigt und die Frage von Leben und Tod in den Raum stellt. Mit einem Floß aus Bronze-Salzstangen spielt der Österreicher Manfred Erjautz auf die Moral unserer Konsumgesellschaft an. Seine in Miniatur-Form verpackte Botschaft: Bei Bier und Salzgebäck werden heute vor dem Fernseher die größten Dramen konsumiert.

Schiffbruch, Rettung, Ort der Einsamkeit, Angst, Verzweiflung und des Überlebenskampfes: Das Motiv des Floßes hat im 18. und 19. Jahrhundert zahlreiche Künstler inspiriert. Mit „Das Floß der Medusa“ wurde Théodore Géricault (1791-1824) berühmt. Das Gemälde bezieht sich auf den Schiffbruch der französischen Fregatte Medusa im Jahr 1816. Der Kapitän hatte rund 150 Menschen ohne Proviant und Wasser auf einem Floß ausgesetzt. Nur 15 überlebten, die anderen starben an Hunger und Durst und fielen Kannibalismus zum Opfer.

Aus dem von Géricault dargestellten Drama hat 1986 auch Fabre seine Inspiration geschöpft. Unter dem Titel „Kunst ist (nicht) einsam“ hat der heute 58-jährige Künstler ein Floß entworfen, auf dem sich ein kleines Fußballfeld und eine Sporthalle befinden. Damit verweist er auf den für die Kreativität notwendigen Rückzug des Künstlers, aber auch auf das Bedürfnis nach Kontakt und Kommunikation.

Diese Dualität kommt bei Fabre vor allem in seiner Performance-Kunst zum Ausdruck, die auf Austausch mit dem Publikum beruht. „Wir sind in unserem Kampf für soziales Engagement nicht alleine“, erklärte er. „Wir stehen nicht über der Gesellschaft, sondern arbeiten mit ihr.“

Die erste Triennale fand vor drei Jahren statt. Sie wurde von dem belgischen Kunsthistoriker Jan Hoet konzipiert, dem künstlerischen Leiter der Documenta IX von 1992 in Kassel. Hoet starb im Februar 2014 noch vor der Eröffnung der Triennale. Fabre war ihm befreundet gewesen. „Die diesjährige Triennale ist auch eine Hommage an Hoet“, betont Fabre.

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