Skurril, feinsinnig, bewegend

„Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?“ fragt der Hamburger Kunstverein in seiner politisch orientierten Ausstellung.

Hamburg. Im Foyer des Kunstvereins Hamburg wird der Besucher von einer riesigen Stefan-Marx-Zeichnung empfangen. Kippende Säulen, merkwürdige Gestalten und Palmen sind in der skurrilen Wüstenlandschaft des 30-Jährigen Hamburgers zu sehen.

"Wo ist der Wind, wenn er nicht weht?" fragt der Hamburger Kunstverein mit seiner aktuellen Ausstellung. Beantwortet man die Frage aus der Sicht der Künstler, deren Werke ausgestellt sind, weht ihnen der Wind wohl scharf ins Gesicht. Konträr zu den gesellschaftlichen Verhältnissen ihrer Zeit gab ihnen das Zeichnen von Bildergeschichten die Chance, über das aufzuklären, was sie als Ungerechtigkeiten und Missstände betrachteten: Ob Dürer, Goya, Picasso, Haring, Art Spiegelmann oder Henry Moore - so unterschiedlich sie sind, sie alle kritisieren in ihren Werken Krieg, Gewalt oder korrupte Politiker. Das brachte den Leiter des Kunstvereins, Florian Waldvogelnahe, dazu, eine Ausstellung mit Werken politischer Bildergeschichten aufzubauen.

Das Besondere an Bildergeschichten ist, dass sie - ähnlich den heutigen Karikaturen - Ereignisse vermitteln und dem Betrachter näher bringen sollen. Die Inhalte dieser Bildergeschichten sind die, die Massen bewegen. Die Schrecken der Kriege oder die Terrorattentate vom 11. September. Ein kurzer Blick reicht, und jeder ist sofort im Thema.

Daher fällt es zunächst auch nicht auf, dass in der Ausstellung an den Werken jegliche Kommentierung fehlt. Informationen zu der Schau gibt es nur im Rahmenprogramm. Alleingelassen mit der Wucht der Werke fühlt sich der Betrachter jedoch nicht. So bieten im Untergeschoss die Motive in knalligem Rot von Keith Haring die Möglichkeit einer beklemmenden Gegenüberstellung: hier das gewaltige Arrangement von Goyas Kriegsgräueln, dort Harings stilisierter Fernsehbildschirm, der die mediale Aufarbeitung von Kriegen darstellt.

Fast von der Masse der Bilder erschlagen, betritt man die erste Etage: Im Raum stehen riesige, mehr als drei Meter hohe, mit Comics beklebte Stellwände. An den Wänden hängen die Bilder über Krieg und Gewalt der Brüder Jake und Dinos Chapman. An einigen Stellen reichen sie gar bis unter die Decke.

Auch wenn die Botschaften manchmal in ihrer geballten Vehemenz erschlagend sind, rütteln sie auf. Denn ihrer Kraft kann man nicht ausweichen. Dazu sind sie zu bunt und groß, zu brutal und sarkastisch, aber manchmal auch einfach feinsinnig-ironisch.

So lässt sich die Frage, wo der Wind ist, wenn er nicht weht, auch so beantworten: Der Wind weht immer. Nur spürt ihn niemals von vorn, wer stets angepasst ist. Widersetzt man sich jedoch dem Mainstream und zeigt Missstände auf, spürt man den Wind - scharf als Gegenwind im Gesicht.

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