Sigmar Polke: Der Herr der Rasterpunkte ist tot

Der Maler Sigmar Polke, einer der bedeutendsten Gegenwartskünstler, ist gestorben.

Köln. "Humor ist das einzige, was einem übrig bleibt", pflegte Sigmar Polke zu sagen. Er galt als der Ironiker unter den Malerstars. Mit einem entwaffnenden Lachen liebte er das Spiel vor und hinter den Bildern, den ständigen Prozess der Verwandlungen von Motiven, Farbschichten und Blickrichtungen.

Nun ist der 69-Jährige in Köln seinem Krebsleiden erlegen, gegen das er jahrelang angekämpft hatte.

Mit zwölf Jahren kam er 1953 nach Düsseldorf, absolvierte dort eine Glasmaler-Lehre und studierte bis 1967 an der Kunstakademie. 1963 saß er mit seinem Kommilitonen Gerhard Richter im Möbelhaus Berges in der Düsseldorfer Altstadt und stellte sich inmitten von Alltagsmöbeln aus. Die Aktion war als Persiflage gegen den allgemeinen Kaufrausch der Bundesdeutschen gedacht.

Polke wurde vom Kunstmarkt hofiert, seine Werke kosteten Millionen-Beträge. Stets wurde er als die Nummer eins oder zwei weltweit gehandelt. Er selbst sah aber den produzierenden Künstler nicht als Nabel der Welt. Sein Erstling, "Goethe’s Werke" von 1963, bestand aus bloßen Buchrücken. Drehte man das Bild um, war nichts dahinter.

Der Schelm spielte mit der Pop Art, indem er die Motive durch Rasterpunkte auflöste. Er verwandte billige, bizarre Stoff-Ornamente und brachte die Subkultur der 60er und 70er Jahre sowie den häuslichen Kitsch in die Kunst. Polke war die Rebellion gegen eine Kultur der Ästhetik.

1968 stellte er Dürers Hasen auf eine karierte Wolldecke und 1970 umrahmte er ihn mit Gummiband. Aber er hantierte auch in seinem Kölner Atelier mit gefährlichen Rohstoffen wie Bleimennige, Mangan, Kobald oder Silberbromid, bewachte die Oxydation dampfender Essenzen und suchte nach der magischen Schönheit im Material.

1986 wurde er auf der Biennale in Venedig mit dem Goldenen Löwen geehrt. Er hatte Großleinwände mit lichtempfindlichen Chemikalien, Pigmenten, Körnern, Graphit und Gummiarabikum bestrichen und dann die Bilder von der Sonne und der Feuchtigkeit am Canal Grande malen lassen. Nun erinnern sie an fiktive Landschaften, an Übergänge vom Diesseits ins Jenseits.

Polke liebte Vexierspiele. Bei den "Linsenbildern" von 2003 waren seine Bildträger Silikonmasse und geriffelte Kunststoffplatten, so dass die Motive wie Holografien flimmerten. Die Bildebenen durchdrangen sich.

2009 kehrte er zu seinen Anfängen als Glaskünstler zurück und gestaltete im Zürcher Großmünster spektakuläre Fenster. Im schillernden Wechsel aus dünnen, geschliffenen Scheiben aus Achat und Glas behandelte er das Mysterium der Menschwerdung Gottes. Ohne selbst bekennender Christ zu sein, betonte er stets die Verwandlung von Stoffen in eine geistige Energie.

Mit demselben Ernst konnte er aber auch dänische Nudistenhefte zitieren: Ein Werk zeigt eine Nackte, die mit der Mistgabel hinter zwei Herren im Adamskostüm herläuft.

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