Sammler drängen mit Macht in Frankreichs Museen

Paris (dpa) - Werden Frankreichs Museen zu privaten Showrooms? Picasso in Monaco, Impressionisten in Sète, Folon in Cannes oder Matisse, Renoir und Maillol im Musée d’Orsay in Paris: Die großen Sommer-Ausstellungen in Frankreich und am Mittelmeer werden von Privatsammlern bespielt.

Noch vor zehn Jahren galt es in Frankreich als tabu, Privatsammlungen geschlossen auszustellen. Vereinzelte Leihgaben wurden nur in größeren Zusammenhängen präsentiert. Heute drängen Sammler und Kunsthändler massiv in Frankreichs Museen.

Die Häuser haben ihre Philosophie geändert. Was früher tabu war, ist heute gängige Praxis. Die Gründe liegen auf der Hand: schrumpfende Etats und zunehmende Kosten. „Seit rund 10 Jahren sind die Kosten für die Organisation einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst um 30 Prozent gestiegen“, erklärt Fabrice Hergott, Direktor des Museums für moderne Kunst der Stadt Paris.

„Die Institutionen treten ständig an uns heran. Ohne uns gäbe es keine Ausstellungen mehr“, sagt eine Pariser Galeristin. Zu den Kunsthändlern, die regelmäßig mit Museen zusammenarbeiten, gehört auch Guy Pieters. Der Belgier hat vor wenigen Wochen in Saint-Paul-de-Vence gegenüber der bekannten Fondation Maeght eine neue Galerie eröffnet. Pieters bespielt derzeit mit den poetischen Skulpturen des im Jahr 2005 verstorbenen belgischen Künstlers Jean-Michel Folon die Villa Domergue in Cannes. Und Arne Quinze, der neben Jan Fabre und Wim Delvoye zu seinen weiteren Künstlern zählt, ist derzeit im Museum für zeitgenössische und moderne Kunst MoMac in Nizza zu sehen.

„In den 80er Jahren brauchten wir Galeristen erst gar nicht an die Türen der Museen anzuklopfen“, erklärt der 60-jährige Fachmann. Heute kämen die Museen auf die Galeristen zu. Pieters ist seit mehr als 30 Jahren im Geschäft. Neben Saint-Paul-de-Vence kann er Galerien im belgischen Nobelbadeort Knokke-Heist und in Sint-Martens-Latem sein Eigen nennen.

In den Museen gewinnen die Kunstobjekte an Bekanntheitsgrad und Wertsteigerung. Aber werden sie durch die enge Zusammenarbeit mit den Galeristen und Sammlern nicht zu Promotionszwecken missbraucht? Es gehe um Kooperation, um Kunst und Künstler, erklärt Pieters. Für den Kulturpolitiker der Bürgerlichen und Republikanischen Bewegung (MCR), Olivier Amiel, sind das reine Lippenbekenntnisse.

Der Anwalt fürchtet um die Unabhängigkeit und Autorität der Museen. Als Beispiel zitiert er auf seinem Blog die Damien-Hirst-Retrospektive in der Tate Modern in London im Frühling 2012. Er qualifiziert sie als reine Wertsteigerungsschau. Die Liste der Londoner Leihgeber glich tatsächlich einem Gotha der Millionäre und Milliardäre, darunter auch der französische Großindustrielle François Pinault.

Pinault besitzt eine der größten Privatsammlungen Frankreichs. Für Amiel ist das Liebäugeln der Museen mit Pinault ein Dorn im Auge. Auf seinem Blog nimmt er den Ex-Präsidenten des Schlosses von Versailles, Jean-Jacques Aillagon, ins Visier. Der frühere Kulturminister lud 2010 den amerikanischen Neopop-Künstler Jeff Koons ein, seine bunten Kunstwerke in den Prachtappartements des Schlosses auszustellen. Pinault ist einer der bedeutendsten Koons-Sammler. Aillagon ist heute für den Milliardär als Kunstberater tätig.

Nur: Pinault braucht weder Versailles noch die Tate Modern. Er hat vor wenigen Jahren in Vendig seine eigenen Museen eröffnet, den Palazzo Grassi und die Punta della Dogana. Auch das hat sich in den vergangenen Jahren verändert. In Frankreich gibt es immer mehr Sammler, die ihre eigenen Museen und Stiftungen gründen.

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