Renoir: Aus der Krise in die Kunst

Das Von der Heydt-Museum zeigt den Maler Auguste Renoir in farbenfroher neuer Sicht.

Wuppertal. Wer eine Krise hat, sieht meistens rot. Im Wuppertaler Von der Heydt-Museum gilt der Umkehrschluss: Wer rot sieht, kann auf eine Krise schließen. Denn Gerhard Finckh bekennt Farbe: Sich mit liebreizenden Motiven zufrieden zu geben, ist für den Hausherrn offensichtlich keine malerische Herausforderung.

Also gibt er am Sonntag nicht nur den Blick auf die zarten Frauenporträts frei, für die Auguste Renoir (1841-1919) bekannt ist. Er zeigt vor allem auch, was hinter der Entwicklung des Impressionisten steckt: Ein kreativer Wendepunkt brachte Renoir zu neuen, immer abstrakteren Pinselschwüngen - und führt den Betrachter von heute zu der Frage: Wie findet ein Künstler den Weg aus einer Schaffenskrise, wie malt er sich wieder frei?

Antworten geben Leihgaben, denen kein Weg zu weit war. Aus Paris, Warschau oder New York reisten Exponate an, um eine "Krisen-Stimmung" zu dokumentieren, die buchstäblich von zwei Seiten beleuchtet wird: Hellrot sind die Wände, an denen 50Renoir-Gemälde ins rechte Licht gerückt werden, dunkelrot schimmert dagegen der Hintergrund, vor dem sich 50 Werke befreundeter Kollegen wie Frédéric Bazille, Camille Pissarro und Paul Cézanne finden. So sind die Bilder nicht nur wohl sortiert, sondern vor allem eine kontrastreiche Ergänzung.

"Auguste Renoir und die Landschaft des Impressionismus" heißt die Ausstellung, die den wenig bekannten Landschaftsmaler Renoir zeigt, der mit seinem Spätwerk an der Schwelle zur Moderne stand. Sie könnte auch anders betitelt sein: "Auguste Renoir und die größte Krise seines Lebens". Die erschütterte ihn 1833, als er "bis an das Ende des Impressionismus gekommen" war, wie er später selbst erklärte: "Mit einem Wort, ich befand mich in einer Sackgasse."

In einem zentral gelegenen Raum werden seine Formexperimente neben Werke seiner Zeitgenossen gestellt. Renoir malte flüssig, dann wieder pastos, ließ mitunter durch freie Partien die Leinwand durchscheinen.

So verschieden wie der Stil ist auch die Qualität: Die Farben seiner "Küstenlandschaft" ergeben einen (zu) harten Kontrast, bei seinem "Seestück" wirken die Wassermassen mühsam auf Leinwand gebannt - viel bewegender wiegen sich die Wellen bei Claude Monets aufgewühltem "Blick auf das Meer".

Damit ist Renoirs Spätwerk nicht ohne Widersprüche - und durchaus bildlich zu verstehen: Auch wenn die Wogen im eigenen Leben hoch schlugen, konnte er sich erhobenen Hauptes über Wasser halten. Finanziell bahnten ihm Porträts den Weg aus der Krise, künstlerisch fand er ihn an der Grenze zur Abstraktion.

Gerade weil an seinem Spätwerk vieles nicht immer harmonisch zusammenzupassen scheint, ist Finckhs Fazit umso klarer: Renoir war "kein Revolutionär, sondern ein Evolutionär", der eine "neuartige Klassizität" entdeckte.

Das sind große Worte, die vor allem mit kleinen Gemälden belegt werden. Die handlichen Formate wählte der Franzose nicht freiwillig, Gicht und Rheuma ließen keine große Wahl.

Die haben dafür die Museumsbesucher - zwischen drallen Badenden, Frauenakten und weichen weiblichen Formen, zwischen der nebelverhangenen "Landschaft bei Fontainebleau" (1865), der bläulich-verträumten "Landschaft mit Bäumen" und dem "Kastanienbaum", der sonst nur im Staatlichen Museum in Berlin blüht.

Neben dem "anderen Renoir", dem modernen Landschaftsmaler, zeigt das Von der Heydt-Museum auch Persönliches: Seine zweite Frau Aline stillt Sohn Claude - unweit der "Zwei Schwestern" (1881). Renoirs weltbekanntes Doppelporträt ist nicht nur ein Höhepunkt im reifen impressionistischen Schaffen des Meisters, es beweist auch Mut zur Selbstreflexion. Denn den Vorwurf von Kritikern, dass man sich beim Anblick harmonischer Motive wie in Watte gepackt fühle, nahm er augenzwinkernd wörtlich: Die beiden Schwestern, die normalerweise im Art Institute in Chicago zu Hause sind, halten einen Korb mit Wolle in den Händen.

Von der Heydt-Museum Turmhof 8, Wuppertal, Telefon 0202/563-6231, 28. Oktober bis 27. Januar 2008, dienstags bis sonntags 11-18 Uhr, donnerstags 11-20 Uhr, Katalog (196 Seiten): 25 Euro

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