Sex und Kreativität „Picasso 1932 - Erotisches Jahr“ in Paris

Paris (dpa) — Der Kopf ist weit nach hinten geworfen und die Nase gleicht einem Phallus: Das Bild trägt den Titel „Figuren am Meer“. Gleich daneben „Die Lektüre“. Es zeigt eine Frauenfigur, deren Schulter ihren Körper wie ein männliches Geschlecht durchdringt.

Beide sind 1932 entstanden.

„In diesem Jahr hat in den Werken Picassos der sexuelle Trieb als kreative Antriebskraft seinen Höhepunkt erreicht“, sagte die Kuratorin Laurence Madeline. Die Osmose zwischen Sexualität und Kreativität fand vor allem zwischen Januar und März ihre Krönung, wie die Ausstellung „Picasso 1932 — Erotisches Jahr“ im Pariser Picasso-Museum zeigt.

Mehr als 100 Exponate wurden zusammengetragen, die Picasso Tag für Tag in seinem Schaffensprozess verfolgen. So beginnt die Werkschau mit dem 1. Januar 1932 und endet am 31. Dezember. Es ist das erste Mal, dass eine Ausstellung einer Tag-für-Tag-Chronologie folgt. Wie bei einem Tagebuch wird jeder Tag illustriert. So sind am 2. Januar sowohl „Figuren am Meer“ entstanden als auch „Die Lektüre“. Am 6. Januar hat Picasso das Bild „Der gelbe Gürtel“ vollendet. Dazwischen Tage, an denen sich Picasso mit Freunden trifft oder sich in seinem Schloss Boisgeloup in der Normandie aufhält, wo er überwiegend modellierte. Es gab aber auch Tage, an denen er nicht gearbeitet hat. Was die Ausstellung auch sehr schön vermerkt.

Was die bis zum 11. Februar 2018 dauernde Präsentation zeigt, das Jahr 1932 war kein gewöhnliches Jahr im Leben Picassos. Denn in diesem Jahr wurde am 16. Juni in der Pariser Galerie Georges Petit seine erste Retrospektive eröffnet. Allein zwischen Anfang Januar und Mitte März malte Picasso 25 großformatige Werke, die von Erotik und Sexualität inspiriert sind. Interessant ist, dass nach der Retrospektive, die bis zum 30. Juli dauerte, seine Werke befriedeter, weniger erotisch und auch kleinformatiger wurden.

„Picasso wollte zeigen, dass er immer noch ein Meister war“, erklärte die Kuratorin. Vor allem aber wollte er es besser machen als Henri Matisse. Denn ihm hatte Georges Petit ein Jahr zuvor eine Retrospektive gewidmet. Matisse hatte sich nicht sonderlich um die Ausstellung gekümmert, die auf geringe Resonanz stieß. Picasso, den mit Matisse Freundschaft und Rivalität verband, hatte daraus die Lehre gezogen. Er habe neue Werke geschaffen und seine Bildsprache erneuert, erzählte die Kunsthistorikerin weiter.

Dabei dienten ihm Sexualität und ungezügelte Erotik als kreative Antriebskraft. Alle Formen seiner Kompositionen werden zu versteckten Bildern sexueller Organe. Ein Kopf wird zu einem Phallus und Gitarrensaiten zu Schamhaaren. Der bekannte Kunsthändler und Förderer Picassos, Daniel-Henry Kahnweiler, schrieb über diese Werke, dass sie von der Erotik eines Satyrs seien, „der käme, um eine Frau zu töten“.

Beispielhaft dafür steht „Der Traum“. Das Bild stellt eine Frauenfigur dar, bei der es sich um seine Geliebte Marie-Thérèse Walter handelt. Ihr Gesicht ist zweigeteilt, wobei die obere Hälfte der Form eines männlichen Geschlechts entspricht.

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