Oda Jaunes groteske Kunst

Die Witwe von Jörg Immendorff zeigt ihre erste Gemälde-Ausstellung nach dem Tod ihres Mannes in der Pariser Galerie Templon.

Paris. Für Oda Jaune haben seit dem Tode ihres Mannes Jörg Immendorff vor knapp zwei Jahren Vip-Partys ohne sie stattgefunden, Paparazzi hatten keine Chance. Sie änderte die Telefonnummern, ließ die E-Mails auflaufen. Jetzt meldet sie sich zurück, und zwar mit Kunst. Sie eröffnet in der alteingesessenen Pariser Galerie Daniel Templon ihre erste Ausstellung seit 2007.

Sie hat eine ungewöhnliche Begabung in der Bildfindung. Sie geht durch die Straßen und kann fasziniert von einem Radfahrer mit dunklen Sportschuhen sein. "Ich sehe eine Ecke, und sie ist spannend." Sie erzählt die Geschichte von ihrem Führerschein: "Ich bin durch die Fahrprüfung gefallen, weil ich an anderes gedacht habe und fast einen Unfall gehabt hätte." Inzwischen hat sie die Fahrerlaubnis, ließ aber für Paris das Auto zuhause.

Im letzten Jahr buchte sie ein Hotelzimmer. "Die Badewanne war noch am besten erhalten, aber die Decke fiel fast herunter." Ihr Aquarell wurde der erste Versuch, einen Raum nur durch die Farbe zu bestimmen und nicht durch Personen. Ob mit oder ohne Figuren, ihre Bilder bestechen durch eine befremdende, rätselhafte, nicht ganz geheure Atmosphäre.

Der Anlass ist oft zufällig, ein hockender, dicklicher Junge bei einem Kindergeburtstag oder hupende Autos von Abiturienten mit einer Puppe auf der Kühlerhaube. Zu den Dingen des Alltags kommen Anregungen aus dem Internet, aus Filmen oder Werbebroschüren hinzu. Sie fand Sexpuppen für Soldaten im zweiten Weltkrieg, die nun wie die Abiturienten auf dem Bild aussehen.

Sie schaut ihre Umgebung mit ihren braunen Augen an, und man fragt sich, wieso ausgerechnet einen Sektenführer in Amerika aquarelliert. Der große Mann steht mit der kleinen Frau, beide halten Händchen und lächeln sich zu. Eine merkwürdige Verbindung ist es, die irritiert.

Oda kann so einer Szene nachträumen, oder sie kann sie ganz schnell mit Tusche auf ein Blatt Papier bannen. Den lachenden Männerkopf mit Sonnenbrille fand sie in einer Werbebroschüre der amerikanischen Armee. Freigestellt, erschreckt das blöde Grinsen.

Manche ihrer Szenen wirken wie eingefroren. Ein Gartenpanorama mit Jungen und Taube über seinem Kopf speist sich aus Erinnerungen an Ferien in Bulgarien und einem Kinderfest in Düsseldorf. Auf ihrem Bild rutscht das dunkle Farbwasser einer Taube auf sein Haupt, als wolle der Vogel den Jungen segnen. Der Garten entstammt einem Park in ihrer bulgarischen Heimat.

Bei manchen Bildern stockt der Atem: Eine Beerdigungs-Szene von Stalin, mit Palmen und Blumen gesäumt, zeigt den toten Herrscher als rötliche Wurst, einen Rest-Menschen in einer Dreiviertel-Hose, deren Beine wie die Pelle einer Fleischwurst glänzen. Ihre Pediküre-Szene mit der abstrus langbeinigen Figur und abstraktem Oberbau erzeugt eine Gänsehaut, zumal sie von wunderschönen Lilien gerahmt wird.

Oda Jaune weiß jetzt, was sie will. Sie möchte nicht Witwe und nicht Vip-Frau sein, sondern nur Oda Jaune, die Malerin.

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