Neo Rauch im Museum Frieder Burda

Baden-Baden (dpa) - Rund 40 Werke des Leipziger Malers Neo Rauch sind ab Samstag im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen.

Der 51 Jahre alte Shootingstar der deutschen Kunstszene hat damit nach München und Leipzig die dritte große Einzelausstellung innerhalb weniger Monate. Mit der Nachrichtenagentur dpa sprach er über seinen Erfolg, seine Schaffenslust und über Nachahmer.

Frage: Wenn man Ihnen vor 20 Jahren gesagt hätte, dass Ihre Bilder innerhalb weniger Monate in drei Einzelausstellungen hängen. Ihre Antwort?

Neo Rauch: „Völlig ausgeschlossen. Das hätte ich nicht für möglich gehalten. 1991, da war ich gerade mal 30 Jahre alt, da war ich dem frühkindlichen Stadium gerade so entwachsen.“

Jetzt werden Ihnen die Werke aus den Händen gerissen. Wie ist das Gefühl, wenn die Bilder quasi schon verkauft sind, sobald sie das Atelier verlassen?

Rauch: „So sicher ist das ja gar nicht. Ich habe allerdings einen sehr effektiven Galeristen an meiner Seite. Der Mann macht einen guten Job, er ist ein kongenialer Sachwalter meiner Werke. Mein Erfolg ist auch ein Erfolg seiner Verführungs- und Überzeugungsarbeit.“

Setzt Sie dieser Erfolg auf dem Markt unter Druck?

Rauch: „Ich produziere nicht für den Markt. Ich erinnere an die Zeiten, in denen es für Malerei keinen Markt gab. Damals habe ich trotzdem produziert und produziert und an meinem Werk gefeilt. Weil mir das vollkommen gleichgültig war. Die Aufmerksamkeit des internationalen Kunst-Jetset galt der Videokunst und der Fotografie. Letztendlich waren das keine schlechte Zeit für Malerei, denn sie hat den Spreu vom Weizen getrennt. Die Wellenreiter sprangen ab, verdrückten sich in elektronische Kabinette. Ich habe das nie getan, und muss mich heute trotzdem ständig rechtfertigen, dass ich den Markt bediene. Das ist falsch. Nicht ich habe mich nach dem Markt gereckt - er hat sich mir zugewandt.“

Was treibt sie ins Atelier ?

Rauch: „Die Lust. Die Ideen kommen von links oder rechts oben. Um den Maler Polke zu zitieren: "Ein höheres Wesen befahl mir, obere linke Ecke schwarz malen." Diese ironische Bemerkung habe ich mir auf meine Flagge gestickt. Es gibt bei mir kein Konzept und keinen Versuch, in irgendeiner Weise diskursrelevant zu sein. Die Inspiration kommt aus Quellen, die mir ungefähr bekannt sind, die ich aber nicht vollkommen ausleuchte, weil ich sie dann zum Austrocknen brächte.“

Was sagen Ihre Werke über Sie aus?

Rauch: „Sie haben alle sehr, sehr viel mit mir zu tun, es sind alles Selbstporträts. Diese Haltung habe ich mir in den Jahren der inneren Emigration erarbeitet. Wenn niemand meine Werke will, muss ich auch niemanden auf mich aufmerksam machen, dann kann ich mich rückhaltlos mir selbst zuwenden. Das ist kein Narzissmus und auch keine narzisstischen Kränkung, aber es hat natürlich etwas zu tun mit einer rückhaltlosen Zuwendung zu sich selbst. Dabei spielt natürlich auch Selbsthass eine Rolle. Es gibt vieles, was ich an mir hasse, und das kann ich hier verarbeiten. Das ist sehr praktisch - und zur Nachahmung durchaus empfohlen.“

Ihr Erfolg begann in den USA?

Rauch: „Dort haben sich Sammler und Museen für meine Bilder interessiert, lange bevor Deutschland einen Blick darauf warf. Fragen Sie mich nicht, wie ich mir das erkläre. Ich suche jedes Mal eine Antwort und hinterher gefällt sie mir nicht.“

Vielleicht, weil es „german kunst“ ist?

Rauch: „Sicherlich ist es das, und warum auch nicht, verflixt nochmal. Mir hat mal ein New Yorker Galerist gesagt: "Das Gute, an dem, was Du machst, ist, dass man ein Gespür dafür bekommt, woher es ist." Ihn nervten die vielen deutschen Künstler, die sich in den USA assimilierten und zur Selbstauflösung brachten. Am Ende liegt ein Esperanto-Material vor, mit dem niemandem gedient ist. Ich würde auch keine Freude an einem japanischen Maler haben, der wie Baselitz malt.“

Was heißt das für sie als Professor? Was geben Sie ihren Studenten weiter?

Rauch: „Ich versuche ihnen zu sagen, dass sie sich auf das Vertikale konzentrieren sollen und nicht an der Waagerechten - im Sinne von "Was könnte gerade relevant sein, wie muss ich mich positionieren, um von Kurator Pimpelhuber wahrgenommen zu werden." Vertikal ist das Gegenteil von Ausrichten, es bedeutet Einrichten: Ich justiere mich, ich reichere Masse in mir und um mich herum an. Entscheidend ist, ob jemand aus seiner Eigentümlichkeit, die er von Tief unten holt, etwas schafft, was die Welt so noch nicht gesehen hat. Er muss keine Revolution auf dem Gebiet der Kunst losbrechen. Es kann etwas ganz Unscheinbares sein, eine feine Verwerfung in der Sichtachse, ein haarfeiner Bruch. Es muss das Gefühl erzeugen: So habe ich einen Kornblumenstrauß noch nicht gesehen.“

Versuchen Studenten, auf ihrer Erfolgswelle mitzureiten?

Rauch: „Wann soll man das tun, wenn nicht als Student. Es ist kein Problem, wenn einer in frühen Jahren mal versucht, in die Latschen des Vaters zu steigen und ein paar Schritte tut. Das habe ich auch gemacht. Damals war das kein Problem, es wurde regelrecht erwartet, dass man mal dieses und jenes ausprobiert. Denn seinen eigenen Wesenskern zu finden, dass schafft man ohnehin nicht vor dem 30. Lebensjahr - frühestens. Und bis dahin sollte man alle Zeit der Welt haben, wie Bacon zu malen oder eben auch wie Rauch. Man kann es probieren und lernt etwas dabei.“

Haben Sie Angst vor einem kreativem Loch?

Rauch: „Diese Angst habe ich nie gehabt. Es gibt noch so vieles, was noch zu tun ist. Ich habe eher die Angst, dass ich nicht mehr alles schaffen kann.“

Gespräch: Ingo Senft-Werner, dpa

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