Nach dem Kunst-Jetset - Dorothee Achenbach rechnet ab

Düsseldorf (dpa) - Aus dem umtriebigen Kunstberater Helge Achenbach wird „Bernhard Krämer“, in den Knast zieht er mit einer gelben Damenhandtasche ein, in die seine Frau ein Mettbrötchen mit Senf und Wechselwäsche gestopft hat.

Zuhause wühlen die Ermittler in der penibel geordneten Damenunterwäsche: Es ist schon ein recht intimer Blick, den Dorothee Achenbach, Ehefrau des seit rund eineinhalb Jahren inhaftierten Kunstberaters, den Lesern in ihr Privatleben gönnt.

„Meine Wäsche kennt jetzt jeder“, ist der ironisch gemeinte Titel des Buches der promovierten Kunsthistorikerin, in dem sie ihren Absturz aus dem Jetset der Kunstszene beschreibt. „Dauerhaft ernähren kann abgelaufene Designerware uns nicht“, schlussfolgert die Autorin.

Auf 230 Seiten erzählt sie in einer Mischung aus Wut, Enttäuschung und Galgenhumor ihre Sicht auf die Rolle der Medien, Justiz, Kläger und ihres 63-jährigen Gatten. Nein, als Abrechnung sei das nicht gemeint, sagt die zweifache Mutter. „Das Buch ist meine Sicht der Dinge. Es hat nie jemand gefragt, wie es eigentlich der Familie geht.“ Für sie sei das Schreiben ein „Ventil“ gewesen. Der Boden sei ihr und ihren Kindern unter den Füßen weggezogen worden. „Ich muss mich ständig wehren gegen Dinge, für die ich nichts kann.“

Dass sie ihrem Mann den Namen „Bernhard Krämer“ verpasst habe, liege daran, dass sie einen „kleinen fiktionalen Abstand“ habe schaffen wollen. Immerhin ist Dorothee Achenbach seit 1996 verheiratet. Krämer sei der Mädchenname ihrer Schwiegermutter und der Vorname Bernhard passe irgendwie zu ihrem Mann.

Ein Krämer ist laut Duden ein kleiner Lebensmittelhändler, aber auch jemand, der „in kleinlicher Weise eigennützig, gewinnsüchtig ist“. Dabei hatte Helge Achenbach mit millionenschweren Kunstwerken von Pablo Picasso bis Gerhard Richter gehandelt, schicke Partys geschmissen und war um die Welt gejettet.

Nun zitiert Dorothee Achenbach mit Erlaubnis ihres Mannes aus dessen Briefen aus dem Untersuchungsgefängnis. Achenbach entdeckt im Knast seine Leidenschaft fürs Malen und Chorsingen, während die Gerichtsvollzieherin als Dauergast im Düsseldorfer Privathaus Leckerli für den Familienhund mitbringt und sämtliche Kunstwerke abtransportieren lässt.

„Ich habe jetzt verstanden. Es gibt ein Leben nach dem Reichtum. Eine höhere Ebene“, schreibt derweil der in der U-Haft abgeschottete Helge Achenbach, der von all dem nichts weiß. Die hehren Worte treffen seine Frau mitten im Kampf mit Rechnungsbergen, Mahnungen und neuen Klagen. Er spielt zum Zeitvertreib mit einem anderen zeitweisen Untersuchungshäftling, dem Ex-Manager Thomas Middelhoff, und einem Wärter Skat um eine Tüte Haribo.

Natürlich sei sie „wütend“ auf ihren Ehemann, der sie in diese Situation gebracht habe, sagt Dorothee Achenbach. Dass er auch seine reichsten Kunden und sogar einen Freund betrügen könne, habe sie nicht für möglich gehalten, schreibt sie. Doch nicht nur das nagt an ihr, auch Ehebetrug deutet sie an. Nach monatelangem Existenzkampf resümiert die Autorin: „Der Verrat an allen - an seinen Kindern, seinen Kunden und an mir - geht tief.“ Auf die Frage, ob sie weiter zu ihrem Mann stehe, sagt sie aber: „Ja, natürlich.“

Auch gegen die Witwe und Familie des gestorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht, die Achenbach vor Gericht gebracht und mehrere Klagen eingereicht haben, schießt Dorothee Achenbach Pfeile ab. „Sechs Jahre Haft, 20 Millionen Euro Schadensersatz, das Firmenimperium insolvent, die Kinder traumatisiert - da würde man doch vielleicht sagen: Jetzt ist genug“, sagt sie.

Gelesen habe ihr Mann das Buch noch nicht. Sie dürfe ja nichts mitnehmen bei ihren Besuchstagen im Knast. „Aber den Namen Bernhard Krämer fand er gut.“

- Dorothee Achenbach, „Meine Wäsche kennt jetzt jeder“, Droste Verlag, 225 S., ISBN 978-3-7700-1578-8, 16,99 €.

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