Museum Abteiberg: In die Unterwelt der Kunst

Tunnel: Gregor Schneider schickt die Gäste im Museum Abteiberg durch dunkle Gänge ins helle Kaffeezimmer.

Mönchengladbach. Weil er den Tod als Kunstwerk sah und am liebsten in den Krefelder Museen ein Sterbezimmer einrichten wollte, wurde der Künstler Gregor Schneider noch vor wenigen Monaten mit Kritik überschüttet. Damals lehnte der Museumschef das umstrittene Projekt ab. Jetzt nähert sich Schneider dem Museum Mönchengladbach auf brachiale Weise - und zwar mit Billigung der gesamten Stadtverwaltung: Er ließ den Hochsicherheitstrakt des Instituts am Abteiberg durchbrechen. Durch eine dunkle Höhle dringt der Besucher ein und taucht regelrecht in die Unterwelt ab.

Diesen Durchbruch durch den Beton hätte wohl niemand wahrgenommen, denn er ist unter der Fassade des Hauses. Aber Schneider wollte mehr, nämlich einen "Keil" in die Architektur des Stararchitekten Hans Hollein hauen. Man hat den Eindruck, als wolle er dem Bau einen tüchtigen Deu geben durch einen Vorbau, der so hoch ist, dass er von allen Seiten der Stadt Aufmerksamkeit erregt.

END nennt er die Kolossal-Skulptur, die sich in Form eines 70 Meter langen Ganges in die Schmalseite des wertvollen Gebäudes schiebt. Vom Stadtzentrum aus sieht man als erstes die monumentale Öffnung von 14mal 14 Metern. Ein Bauwerk, das noch schwarz angestrichen wird. Die Öffnung soll an ein schwarzes, quadratisches Schild erinnern, abwehrend und anziehend zugleich. Wieder sorgt Schneider für Unruhe. Sah so nicht auch eine Seite jenes Würfels aus, dem er den Titel einer Kaaba gab und die für die Biennale von Venedig aus politischen Gründen abgelehnt wurde?

Gregor Schneider ist ein freundlicher, sensibler, schüchterner Künstler. Aber ein Sturkopf. Ein Magier, der mit seinem Werk niemanden kalt lässt. Er gibt nicht einfach irgendeine Skulptur zur Bewunderung frei, sondern er zielt auf die Gefühle, die Reaktionen der Menschen. Jeder werde seine eigenen Erfahrungen mitbringen.

Freudig wird sich ab 8.November der Gast diesem END nähern und muss durch einen Schacht laufen, der ihm vermutlich neben Neugier auch Angst und Unsicherheit einflößt. Der Schöpfer des Ganzen kennt sich aus mit Gefühlen. Er sei als Messdiener mit den Ritualen der katholischen Kirche aufgewachsen und habe unter "Höllenangst leidend" an Beerdigungen teilnehmen müssen.

Es geht in Mönchengladbach jedoch nicht um Tod und Leben, sondern um eine simple Treppe zum Aufstieg in die Öffnung und zum Abstieg über rutschfeste Matten. Der Gang wird enger, dunkler und unheimlicher und soll an einem schwarzen Loch enden, dem "Schwarzen Nichts". Dieses Nichts führt ins Museum.

Es ist stockduster da unten, aber da erhellt sich die ganz banale Kunst, tituliert als Kaffeezimmer, Abstellkammer, Schlafzimmer etc. Es sind die Urzellen von "Haus u r" auf der Unterheydener Straße in Rheydt, von wo aus der Ruhm des Mieters Schneider seinen Anfang nahm. Nur diese Räume haben Licht, sie strahlen dem Betrachter entgegen. Blickt er hinein, kommt Schneiders nachgebautes Heimat-Milieu zur Anschauung. "Das Ende ist der Anfang", sagt er. Der Künstler ist angekommen. Die anderen aber, die Besucher, gelangen über einen Behinderten-Aufzug ins Museum. Dort können sie beherzt auftreten und wissen, wo der Ein- und der Ausgang ist.

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