Raumkunst Michael Müller: Auf Strümpfen durch den Hades

Baden-Baden (dpa) - Nach der Renovierung ist vor der Renovierung: Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden hat zur Wiedereröffnung dem Künstler Michael Müller freie Hand gelassen.

Raumkunst: Michael Müller: Auf Strümpfen durch den Hades
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Die „Strafe“ folgt auf dem Fuße. Der Berliner zeigt in seiner bislang größten Ausstellung, was sich aus dem über 100 Jahre alten Gemäuer herausholen lässt. Dafür muss sich der Besucher als erstes von den Schuhen trennen. Es geht auf Strümpfen in den schauerlichen Hades und barfuß auf den frischen Ton. „SKITS. 13 Ausstellungen in 9 Räumen“ nennt sich ein ungewöhnliches Projekt, das vom 26. November bis 19. Februar zu erleben ist.

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Da sind zunächst einmal 16 Tonnen feinster Sand: Michael Müller hat damit den großen Oberlichtsaal gefüllt und ihn in rotes Licht getaucht. Gleich Strandgut stehen dazwischen kleine Tonskulpturen, ein Seziertisch und ein riesiger knorriger Baum - zusammengesetzt von seinem Künstlerkollegen Jochen Dehn.

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Eiskalt wirken nach dem gedämpften Entreé dagegen die angrenzenden Räume, in der Schaufensterpuppen mit der vom Künstler entworfenen Badekollektion sitzen, eine Ausstellung in der Ausstellung zu sehen ist oder wo sich wie bei „Hermes und Hermaphroditos“ alles um das goldene Lamm dreht. Die gekachelte Installation Hades lässt Botschaften per Lichtzeichen sichtbar werden, und auf einem Tonboden kann man sich im Kunstwerk verewigen.

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Michael Müller ist eine „Zumutung“ - im positiven Sinne, wie die „Welt“ einmal schrieb. Er schafft Illusionen und Stimmungen, Banales geht in Philosophisches über, Kontemplatives in Schrilles. Auf die Spitze getrieben ist das in der pinkigen Rauminstallation „Was nennt sich Kunst, was heißt uns Wahrsein?“: Ein Blumenbild von Jan Breughel d.J. und eine Skulptur von Willem de Kooning kontrastieren mit einem bunten Treppenhüpfer, ausgestopften Vögeln oder lebenden Axolotln in einem Aquarium.

„Ein gutes Kunstwerk sollte ein Geheimnis um seine Frage herumlegen, so entsteht ein Interpretationsspielraum“, sagt der Performance- und Videokünstler, Zeichner, Maler, Bildhauer und Fotograf über sein Schaffen. Für Kurator Hendrik Bündge ist er ein Mann mit vielen Eigenschaften, der - frei nach Robert Musil „am liebsten ein Künstler ohne Eigenschaften wäre“. Musils Roman hat Müller in einer eigenen Notation „übersetzt“. Dem Projekt ist ein ganzer Raum gewidmet.

„SKITS“ - der Titel der Schau - verweist auf eine im Hip-Hop gebräuchliche Unterbrechung, die sich abhebt. Das passt auf das Werk von Michael Müller, und ein wenig auf sein Leben: Der Halb-Engländer wurde 1970 in Ingelheim am Rhein geboren, studierte kurz Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und verabschiedete sich dann aus Europa, um für ein Jahrzehnt bei einer tibetanischen Bauernfamilie und im Kloster zu leben. Seit 2015 ist er Professor an der Universität der Künste Berlin.

In der Öffentlichkeit ist er weniger bekannt. Baden-Baden ist seine bislang größte Einzel-Präsentation. Er tritt dabei in große Fußstapfen: Die Kunsthalle hat vor Jahrzehnten schon Gerhard Richter, Markus Lüpertz oder Anselm Kiefer zum Durchbruch verholfen.

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