Internetkunst: Stoscheks technische Superschau

In sozialen Netzwerken verschwindet der Mensch.

Düsseldorf. Wie ein braves Mannequin in Schwarz-Weiß präsentiert sich Julia Stoschek neben einem viktorianischen Chormädchenkleid. Von weitem wirkt das Kleid der US-Künstlerin Frances Stark mit einem Trauerflor auf dem Rücken melancholisch, und die Chefin ihres Privatmuseums in Düsseldorf erscheint daneben noch schöner. Am Freitag eröffnet sie in diesem Outfit die Vernissage einer Schau, die allein wegen ihrer technischen Ausstattung als letzter Schrei bezeichnet werden kann.

75 Sound-Panele sind auf zwei Etagen angebracht, um die Geräusche in den Räumen zu trennen. Es gibt aufwendige Mehrkanalabspielgeräte mit HD-Dolby-Surround.

In der Doppelschau wird außer Frances Stark (Jahrgang 1967) auch der 31-jährige britische Shootingstar Ed Atkins präsentiert. Atkins besitzt kein Studio — das ist im digitalen Zeitalter auch nicht nötig. Er ist bekannt für seinen witzigen Umgang mit alten und neuen Medien, die er genüsslich gegeneinander ausspielt. Aber auch Frances Stark schickt ihre medialen Menschen vom Laptop aus in die weite Welt.

Beherrscht wird die Schau von der HD-Technik der hochauflösenden Bilder. 3D-Programme, digital generierte Glatzköpfe, frei schwebende Augenpaare und ein Mix aus einem trashigen 80er-Jahre-Film mit südlicher Urlaubslandschaft bestimmen die Räume. Der Betrachter hat vor allem bei Atkins den Eindruck, hier amüsiere sich jemand über seine eigenen Bilder.

Faustdick hinter den Ohren hat es Frances Stark, Professorin, Performance-Queen und Spezialistin in der medialen Kommunikation. Ihre Texte haben mit Literatur nichts mehr zu tun. Der Telegrammstil in den Sätzen, die als Videoschrift projiziert werden, steht für den Dialog in sozialen Netzwerken. Starks Filme zeigen keine Personen mehr. Ob in Liebes- oder Alltagsgesprächen — die Chatpartner verschwinden hinter der dahinflitzenden Schreibschrift. Kein Gesicht, geschweige denn ein Charakterkopf ist zu sehen.

Über spezielle Programme lassen sich Texte und Gesprächsfetzen als 3D-Figuren mit sprechenden Mündern generieren. Wie virtuelle Legomännchen sehen diese zufällig gefundenen Bekannten aus, deren Plappermäuler Frances Stark über den Bildschirm huschen lässt.

Info: Vernissage am Freitag ab 19 Uhr, Düsseldorf, Schanzenstraße 54. Bis Februar 2014 samstags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

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