Hollein: Museen haben ein Wachstums-Gen

Frankfurt/Main (dpa) - Im Februar wird der Erweiterungsbau des Frankfurter Städel-Museums eröffnet. Es ist eines der größten Bauprojekte der hessischen Museumslandschaft. dpa sprach im Vorfeld mit dem Direktor des Museums, Max Hollein.

Laut Deutschem Architekturmuseum werden in vielen Metropolen derzeit unterirdische Erweiterungsbauten eröffnet. Ein neuer Trend?

Hollein: „Ich sehe das nicht unbedingt als Trend oder als neue Form der Museumsarchitektur. Aber Museen haben in ihrer DNA ein Wachstums-Gen, sie müssen physisch wachsen, weil ihre Sammlungen wachsen. Jedes Museum muss für dieses Problem eine andere Lösung finden. Das Guggenheim hat ein internationales Satelliten-System entwickelt, die Tate hat eine gigantische Dependance in einem Fabrikbau eröffnet, in Abu Dhabi wird eine Sandhalbinsel für überirdische Neubauten angelegt. In unserem Fall war diese unterirdische Lösung inmitten des gewachsenen Städel-Ensembles die absolut richtige Antwort.“

Sind Sie denn glücklich mit der unterirdischen Halle?

Hollein: „Ich bin sehr glücklich damit! Es gab während der Wettbewerbsphase ja unterschiedliche Entwürfe. Unsere Lösung ist die perfekte Erweiterung des Museums. Sie schafft die idealen Bedingungen für die Sammlungspräsentation: Hervorragende Lichtverhältnisse durch das von oben kommende Tageslicht, hohe und vor allem flexible Räume, die es ermöglichen, die einzelnen Galeriekabinette der Sammlung anzupassen.“

Wie hat sich anlässlich des Neubaus die Sammlung verändert?

Hollein: „Es sind im Bereich Gegenwartskunst in den letzten Jahren rund 1000 Kunstwerke dazugekommen. Wir haben vieles geschenkt bekommen, aber auch mit Hilfe des Städelkomitees 21. Jahrhundert stark angekauft, aus Galerien, von Künstlern, bei Auktionen. Außerdem hat uns die Deutsche Bank 600 Werke aus ihrer Sammlung übergeben, die wir selbst auswählen konnten. Dazu kommen 220 Werke aus der Fotografiesammlung der DZ BANK. Diese Übergaben sind bereits vor Jahren durch intensive Gespräche und Verhandlungen vorbereitet worden..“

Sie haben sich dafür entschieden, „das neue Städel“ in drei Schritten zu eröffnen. Erst die „Kunst der Moderne“ im Gartenflügel, dann die „Alten Meister“ im Mainflügel und am Ende der Neubau für die „Kunst der Gegenwart“. Wieso nicht ein Festakt für alles?

Hollein: „Der eine Grund ist, dass wir es logistisch gar nicht geschafft hätten, alle Bereiche gleichzeitig zu eröffnen. Der zweite Grund ist, dass sich im ganzen Haus so viel getan hat, dass wir ganz bewusst jedem Sammlungsbereich Aufmerksamkeit und einen eigenen Diskurs angedeihen lassen wollten.“

Was ist neu in den Sälen für die Moderne und was ist neu in den Räumen für die Alten Meister?

Hollein: „Bei der Moderne haben wir die Abgrenzung nach Ländern aufgehoben, zum Beispiel zeigen wir nun deutschen Impressionismus direkt neben französischem. Außerdem tritt erstmals Fotografie, die wir Dank der Erwerbung der Sammlung Wiegand zeigen können, in einen Dialog mit der Malerei. Bei den Alten Meistern haben wir die Identität der Sammlung stärker berücksichtigt - wie eine solche Sammlung entsteht, woher sie kommt, worauf sie sich bezieht.“

Und was erwartet uns ab Februar bei der Gegenwartskunst?

Hollein: „Wir gliedern nicht nach Regionen oder Gattungen und wir hängen auch nicht chronologisch. Wir zeigen die Kunst der Gegenwart entlang ihrer Hauptentwicklungs- und -diskussionslinien. Das beginnt mit der Frage, wann die Moderne überhaupt anfängt. Die Besonderheit der Städelschen Sammlung ist es, dass wir die Entwicklung der europäischen Kunstgeschichte vom späten Mittelalter bis in die Gegenwart kontinuierlich abbilden können. Allerdings konzentrieren wir uns auf die Entwicklung der Malerei. “

Generell gefragt: Wie präsentiert man Kunst im Jahr 2012?

Hollein: „Heute - und das ist eine sehr positive Entwicklung - ist das Publikum viel breiter, diversifizierter. Deswegen sind Vermittlungsangebote für ganz unterschiedliche Besuchergruppen heute besonders wichtig.“

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