Graffiti werden zum Denkmal

Früher illegal, heute Kunst: Klaus Paiers Arbeiten in Aachen.

Aachen. „Niemand hat so konsequent Graffiti in seinen Lebensmittelpunkt gestellt wie Klaus Paier“, sagt Landeskonservator Udo Mainzer. Der 65-jährige Professor der Kunstgeschichte sorgt nun mit Aachener Politikern dafür, dass der letzte Rest von Paiers Arbeiten erhalten bleibt: Die zehn übrig gebliebenen Graffiti werden zwei Jahre nach seinem Krebstod im Alter von 63 Jahren unter Denkmalschutz gestellt.

Paier studierte in den 70er Jahren Physik in seiner Heimatstadt Aachen. Das sensibilisierte ihn für die Gefahren der Atomkraft. Von 1978 an machte er sich nachts auf, um Graffiti zu den Themen Abrüstung, Kriege und atomare Bedrohung auf Betonwände in der Innenstadt zu malen — heimlich und illegal. Immer musste er damit rechnen, erwischt und wegen Sachbeschädigung belangt zu werden.

Das Risiko erhöhte sich auch dadurch, dass Paier, anders als der weltweit bekannte Sprayer von Zürich, Harald Naegeli, keine Sprühdosen benutzte. Der frühere Museumsdirektor Wolfgang Becker, der den Künstler schon in den 80er Jahren schätzte, sagt: „Er arbeitete mit Stiften, Kreiden und Farben, die nicht so spontan aufzutragen sind.“ Am ersten Abend entstand die Kontur, am nächsten malte er diese farbig aus.

Die Graffiti provozierten und wurden als Schmiererei gesehen. Die meisten wurden weggeätzt; kaum dass sie entstanden waren, oder übermalt. Paier kalkulierte das ein und fotografierte all seine Fassadenbilder ab.

Landeskonservator Udo Mainzer sagte, Paiers Werk sei keine Kritzelei, sondern „ein künstlerisches Werk mit politischer Bedeutung“. Doch was ist Schmiererei, was ist Kunst? Diese Frage hatte sich auch der frühere langjährige Aachener Oberbürgermeister Kurt Malangré gestellt. Heute plagt ihn das Gewissen, dass er nicht schon viel früher eingeschritten ist.

Mainzer ist froh, dass die Arbeiten nun erhalten bleiben: „Paier hat das größte Graffiti-Ensemble im Rheinland überhaupt geschaffen.“ Den Eigentümern der Mauern mit den Paier-Werken werde das Amt für Denkmalpflege bei der Farbpflege zur Seite stehen.

Wie grundlegend sich die Einschätzung von Graffiti geändert hat, belegt Mainzer mit einem Hinweis auf die Restauratoren-Ausbildung in Dresden, die jetzt auch die Erhaltung von Graffiti umfasst: „Es dauert eben immer einige Zeit, bis der Denkmalwert einer Sache gesellschaftlich erkannt wird.“

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