Farben gegen Hunger und Not

Das Von der Heydt-Museum zeigt Kunst der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Werke spiegeln Zuversicht in schwerer Zeit.

Wuppertal. Die Stadt lag in Trümmern. Doch wer denkt, dass sich hinter "Kunst zwischen 1945 und 1955" Kriegsszenen und düstere Ruinenlandschaften verbergen, der irrt sich. Die Gemälde, Skulpturen und Graphiken, die im Von der Heydt-Museum ab Sonntag an die Zeit "Zwischen Bombenhagel und Wirtschaftswunder" erinnern, sind entweder farbenfroh und abstrakt. Oder figurativ bis betulich: Stillleben und Blumenbilder erfreuen zu jeder Zeit - gerade, wenn Krieg, Nazi-Herrschaft und Flüchtlings-Elend verdaut werden müssen.

Der Optimismus, mit dem Maler und Bildhauer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs künstlerisch nach vorn schauen, ist erstaunlich - genauso wie ein Geständnis von Herbert Pogt. Der Kurator der Ausstellung räumt ein: "Viele dieser Werke sind eigentlich nicht ausstellbar. Die Rahmen sind kaputt." Für diese Ausstellung ist das aber ein Glücksfall, dokumentiert der Zustand der Werke doch die kargen Arbeitsbedingungen der Nachkriegskünstler in Zeiten der Not.

Nichts ist deshalb typischer als der Musiker, den Carl Barth aufrecht in Szene setzt: Die Kunst triumphiert über den Krieg, der "Akkordeonspieler vor zerstörten Häusern" blickt in die Zukunft, lässt die Ruinen hinter sich. Ähnliches gilt für die "Mutter in Trümmern", die ihr Kind schützend im Arm hält: nicht klagen, sondern den Neuanfang wagen. Hans Dosts Holzschnitt spiegelt Wärme und Zusammenhalt.

Der ist auch in der Wuppertaler Kulturszene zu spüren, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Zentrum moderner Kunst entwickelt - zu einer Zeit, in der selbst Hungersnöte das Interesse an Skulpturen von Ewald Mataré, Graphiken von Willi Dirx und Gemälden von Willi Baumeister nicht bremsen können. "Die Leute hatten einen riesigen Hunger nach Kultur", sagt Museumsdirektor Gerhard Finckh.

Unter den 85 Werken aus der Sammlung des Museums finden sich Prominente neben fast vergessenen Namen. Franz Krause beispielsweise wurde von der Kunstgeschichtsschreibung bisher ebenso ignoriert wie von der Museumswelt - bis Herbert Pogt seine Arbeiten im Depot wiederfand. "Eine echte Entdeckung", sagt auch Gerhard Finckh.

Wie überhaupt viele Schätze der Nachkriegszeit im Fundus des Museums: "Wir hätten aus unserer Sammlung zwei bis drei Ausstellungen bestücken können", sagt Finckh. Allerdings: "Selbst dann wäre kein Werk dabei gewesen, das sich mit dem Holocaust auseinandersetzt." Kunst ist im Nachkriegs-Wuppertal eher ein Weg, dem Alltag zu entfliehen.

Wie befreit von der Last der Vergangenheit wirken nicht nur die Motive, sondern auch die Titel vieler Werke: "In lieblicher Bläue erblühet der Kirchturm" - Winfred Gaul macht es möglich. Auch Fritz Winter sucht die Idylle: Ein "Froher Tag" ist das, was sich nach der Nazi-Herrschaft wohl alle wünschen.

Traditionelle oder ganz konservative Perspektive - es scheint, als hätten sich die Künstler zwischen 1945 und ’55 auf zwei gegensätzlichen Wegen ihre Kriegstraumata von der Seele gearbeitet.

Die neue Freiheit nach dem Ende des Nazi-Kunstdiktats bereitet zwar den Boden für malerische Experimente. Trotzdem halten sich viele Künstler an Hergebrachtes - eben auch, weil Barths "Blumenstrauß" oder Emil Schumachers "Stilleben" dem Publikumsgeschmack entsprechen.

Im Gegensatz dazu stehen Formspiele wie Ernst Wilhelm Nays "Chromatische Figuren". Dieses Schlüsselwerk der Ausstellung und führt das große künstlerische Streitthema der 40er und 50er Jahre bildlich vor Augen: Abstrakt gegen figurativ. Die Ausstellung im von der Heydt-Museum gibt beiden Strömungen Raum.

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