Er nannte sich Gorch Fock

Der Schriftsteller, der dem Segelschulschiff seinen Namen gab, litt von Kindesbeinen an unter Seekrankheit.

Kiel. "Erneuerer der niederdeutschen Literatur", "blutiger Militarist" oder "genialer Abenteuerschriftsteller" lauten die Urteile über Gorch Fock (1880-1916). Zu seiner Zeit war er ein Bestsellerautor, heute kennen die meisten Menschen seinen Namen nur noch wegen des gleichnamigen Segelschulschiffs. Am Dienstag eröffnet eine Ausstellung in Kiel, die bis 13. August einen Überblick über Focks Leben und Wirkung gibt.

Geboren wird er als Johann Kinau am 22. August 1880 auf der Insel Finkenwerder bei Hamburg. Sein Vater Heinrich war Seefischer. Das wollte auch Johann, ältester von sechs Geschwistern, werden. Doch als er mit 14 Jahren testweise mitfuhr, wurde er seekrank und schien seinem Vater zu schwach für die harte Arbeit an Bord, sagt Rüdiger Schütt, Kurator der Ausstellung.

Kinau machte stattdessen eine Kaufmannslehre bei seinem Onkel und fand später bei der Hamburg-Amerika-Linie, dem Vorgänger der heutigen Hapag-Lloyd, eine Stelle. Doch die Seefahrt ließ den jungen Mann nie los. Er führte eine Art Doppelleben: Tagsüber saß er als Johann Kinau brav am Schreibtisch, abends verfasste er als Gorch Fock Artikel und Bücher. Auch drei Theaterstücke für seinen Bekannten Richard Ohnsorg, den Gründer des gleichnamigen Theaters, schrieb der verheiratete Mann und Vater zweier Kinder.

Thema seiner Werke ist immer wieder die Seefahrt, so auch in seinem berühmtesten Roman "Seefahrt ist not", der 1912 zum Bestseller avanciert. Darin beschreibt er das Leben der Hochseefischer auf seiner Heimatinsel. Die Hamburger Schulbehörde verteilte 5000 Exemplare an die männlichen Schüler der Hansestadt, Gorch Fock wurde zu Vorträgen eingeladen und sollte sogar zum Geburtstag von Kaiser Wilhelm II. eine Rede halten.

Als 1914 der Krieg ausbrach, meldete sich Kinau freiwillig. Er wurde in Serbien und in Verdun eingesetzt, im März 1916 erfüllte sich für den Mann, der von seinem Vater als see-untauglich befunden worden war, ein Traum: Er wurde zur Marine versetzt. "Man sagt, dass Hamburger Prominenz sich für ihn eingesetzt hat", sagt Kurator Schütt. Doch die Freude währte nur kurz: Gleich die erste Fahrt des Kreuzers "Wiesbaden" ging Richtung Skagerrak. Hier wurde Gorch Fock in die einzige Seeschlacht des Ersten Weltkriegs verwickelt - und starb am 31.Mai. Erst nach einiger Zeit wurde sein Körper in Schweden an den Strand gespült.

"Sofort nach seinem Tod setzte die Glorifizierung Gorch Focks ein", sagt Schütt. Die Nationalsozialisten vereinnahmten den Schriftsteller komplett, nannten 1933 das Segelschulschiff der Marine nach ihm. Johann Kinaus Brüder halfen dabei: Sie suchten nationalistische Aussagen aus seinen Schriften zusammen, auch die laut Schütt "einzige" Passage aus 20 Tagebüchern, in der Kinau Juden kritisiert.

Vor allem die NS-Rezeption seines von Heldenfiguren durchsetzten Werkes erschwere eine unvoreingenommene Beschäftigung mit Gorch Fock, heißt es im Text zur Ausstellung. Möglicherweise ist das der Grund, warum der Schriftsteller heute kaum noch bekannt ist. Sein Name allerdings lebt fort: Im Segelschulschiff von 1958, einer Metal-Band in Austin/Texas sowie in Mettwurst und Aquavit.

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