Emil Nolde und der dunkle Fleck der Geschichte

Die Gemälde des Expressionisten gehörten während der Nazizeit zur „entarteten Kunst“. Und doch war er ein Hitler-Anhänger.

Emil Nolde und der dunkle Fleck der Geschichte
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Frankfurt. Emil Nolde gehört zu den beliebtesten Malern des Expressionismus. Zwei große Ausstellungen — eine in Frankfurt und eine in seinem nordfriesischen Wohnort Seebüll — zeigen nun seine farbenprächtigen Werke. Für Gesprächsstoff sorgt derzeit aber ein kontroverser Aspekt seiner Biografie: Nolde (1867-1956) galt bei den Nationalsozialisten als „entarteter Künstler“ und hatte Berufsverbot — und war doch glühender Hitler-Anhänger.

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Spannend ist die Frage, wieso sein ausgeprägter Antisemitismus seiner Beliebtheit keinen Abbruch tat — und wer sich an dessen Verschleierung beteiligte. Aya Soika und Bernhard Fulda führen im Katalog zur Frankfurter Ausstellung, die heute beginnt, zahlreiche Dokumente an, die Noldes rechte Gesinnung belegen. Über Hitler schrieb er an Freunde, „der Führer ist groß und edel in seinen Bestrebungen und ein genialer Tatmensch“.

In seinen Memoiren beschreibt er sich als Vorkämpfer „gegen die alljüdische Bevormundung“. Selbst davor, einen nichtjüdischen Konkurrenten als Juden zu diffamieren, schreckte er nicht zurück. Mit einem Brief an Propagandaminister Joseph Goebbels, den das aktuelle Magazin „art“ als Faksimile nachdruckt, bittet er 1938 um die Rückgabe seiner beschlagnahmten Bilder und argumentiert, er habe „als fast einzigster deutscher Künstler in offenem Kampf gegen die Überfremdung der deutschen Kunst (. . .) gekämpft“, seine Kunst sei „deutsch, stark, herb und innig“. Den Brief unterzeichnet er mit „Heil Hitler“.

Soika und Fulda gehen davon aus, „dass Noldes braun gefärbte Äußerungen sowohl als strategische Anbiederung wie auch — später — als verzweifelte Rettungsversuche gedeutet werden können. (. . .) Es ist nicht immer einfach, zwischen politischer Überzeugung und zweckgerichtetem Opportunismus zu unterscheiden“.

Der 1867 als Hans Emil Hansen im Dorf Nolde geborene Maler war in der Weimarer Republik ziemlich erfolgreich. Er hatte viele Ausstellungen, seine Bilder wurden von Museen angekauft, er bekam lobende Kritiken. „Die anfängliche Begeisterung für den Nationalsozialismus beruhte auf Noldes Hoffnung, die Nazis würden seine Kunst anerkennen“, sagt der Direktor der „Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde“, Christian Ring.

Es half nichts: Die Nazis lehnten Noldes Kunst ab. 1937 wurden mehr als 1000 seiner Werke beschlagnahmt, knapp 50 Arbeiten wurden in der Münchner Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. 1941 wurde er wegen „mangelnder Zuverlässigkeit“ aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen und mit Berufsverbot belegt. Er durfte zwar malen, aber weder ausstellen noch verkaufen und keine Materialien kaufen.

In der Ausstellung im Städel ist das Thema nur eins von vielen. Es sei „keine Ausstellung über Nolde und die Nazis“, die Kunstwerke stünden im Mittelpunkt, sagt Kurator Felix Krämer. „Wir plädieren für einen genauen und differenzierten Blick.“ Und der zeige, „dass das Schwarz-Weiß-Schema im Fall Nolde nicht funktioniert“.

Nicht einmal die Nazis waren sich einig, was sie von Nolde halten sollten. Hitlers Architekt Albert Speer berichtet in seinen Memoiren, er habe in Goebbels’ Wohnung Aquarelle Noldes aufgehängt: „Goebbels und seine Frau akzeptierten sie mit Begeisterung — bis Hitler zur Besichtigung kam, sie auf das schärfste missbilligte und der Minister mich sofort zu sich rief: ,Die Bilder müssen augenblicklich weg, sie sind einfach unmöglich!’“

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