El Greco — der Modernste der Altmeister

Die überwältigende Schau in Düsseldorf zeigt den Maler des späten 16. Jahrhunderts und seinen großen Einfluss auf die Moderne.

Düsseldorf. „El Greco — der war wirklich ein Maler“, begeisterte sich Pablo Picasso. Natürlich hat er recht: Die Werke des gebürtigen Griechen lassen bis heute den Atem stocken.

Denn El Greco (1541 — 1614) provoziert — allein durch seine kühnen Farben. Modriges Purpur, sattes Grün, üppiges Türkis, frappierendes Zitronengelb trägt er flächig auf. Die Gesichter sind graugelb, die Schatten rosa. Den Faltenwurf markiert er in grellem Weiß.

Charakteristisch für seine Figuren sind verdrehte Leiber und überlange Gliedmaßen bis in die Fingerspitzen. Die Perspektive auf die meist gequälten Gestalten wählt er von schräg unten, da muss der Blick lange nach oben wandern.

Mit diesen ekstatischen Bildern lässt El Greco alle Gepflogenheiten der Spätrenaissance lässig hinter sich. Resonanz findet dieser Radikale daher erst später, sehr viel später. Die frühen Expressionisten erkannten ihn 300 Jahre nach seinem Tod als Wahlverwandten. Mit ihnen teilt er ein Fremdsein und Unbehagen an der Gegenwart.

Es ist ein überragendes Unterfangen: Das Museum Kunstpalast zeigt ab morgen 41 Werke von El Greco (davon stammen acht aus seiner Werkstatt, zwei sind als Koproduktion entstanden) sowie 110 Werke von Künstlern der Moderne, die seinen Einfluss bezeugen.

Die Ausstellung ist zweifellos eine der bedeutendsten dieses Jahres in Europa, doch das trägt sie nicht bedeutungsschwer vor sich her, sondern weckt einfach Augenlust und Entdeckerfreude. Kurator und Generaldirektor Beat Wismer hat die Bilder im ersten Stock großzügig verteilt, das schafft lange Sichtachsen.

Da fallen einem die Parallelen nur so zu. So ist El Grecos „Pietà“ der „Beweinung Christi“ des rheinischen Expressionisten Heinrich Nauen von 1913 gegenübergestellt: Bei beiden ist der Leichnam fast weiß, bei Nauen wirkt er kantiger, aber bis in die Kopfhaltung ist das Vorbild nachvollziehbar.

Auch das Meisterwerk „Laokoon“ findet vielfältigen Widerhall, etwa in der Anordnung von Ludwig Meidners „Heimatlosen“. Bis in die hellen Graugrün-Töne könnte es Oskar Kokoschkas „Stilleben mit Putto und Kaninchen“ beeinflusst haben.

Dass die Renaissance-Werke auf dunkelgrauem Hintergrund, die jüngeren auf hellgrauer Wand präsentiert werden, ist manches Mal hilfreich: So verblüffend modern wirkt El Greco bis heute.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Liebe und Hass in der Vorstadt
Peter Kurth und Peter Schneider ermitteln im „Polizeiruf“ nach einem Kindsmord in Halle/Saale Liebe und Hass in der Vorstadt
Aus dem Ressort