Kunsthalle Düsseldorf Die Sammelwut des Song Dong

Die Kunsthalle Düsseldorf zeigt einen chinesischen Künstler, der sein Leben in einer großen Installation zur Schau stellt.

Kunsthalle Düsseldorf: Die Sammelwut des Song Dong
Foto: Katja Illner/Kunsthalle

Düsseldorf. In der Kunsthalle Düsseldorf ist eine wahnsinnige Schau von Song Dong auf dem Boden und an den Wänden ausgebreitet. Die Habseligkeiten, allesamt getragen und gebraucht, fein säuberlich nach Farben und Funktionen sortiert, zeugen von einer manischen Sammelwut.

10 000 Objekte sollen es sein, deren Aufbau mehrere Wochen in Anspruch nahm. Ein riesiges Feld von Dingen, die wir Deutschen sofort wegschmeißen würden. Für den 49-jährigen Chinesen ist es eine Trauerarbeit. „Waste not“ heißt diese Arbeit, „schmeiße nichts weg“. Sie entspricht dem deutschen Sprichwort: „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“. Unsere Omas und Opas werden sich an ihre Jugend nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert, wo sie nichts entsorgten, weil man es noch gebrauchen konnte.

All diesen Schachteln, Flaschen, Verschlüssen, Tuben, Einlegesohlen und Seifen haftet die Erinnerung an eine Vergangenheit an. Sie symbolisieren den Verlust der guten, alten, wenn auch ärmlichen Zeit des Künstlers in Peking und die radikale Stadterneuerung im Vorfeld der Olympischen Spiele von 2008.

Nun ist Song Dong eigentlich kein Material-Fetischist, sondern eher ein Konzept-Künstler, allerdings mit sehr persönlichen Bezügen zur Kunst. 2004 radelte er durch das alte Peking, zwei Videokameras auf dem Lenker, und nahm von seiner Heimat Abschied. Gleich im Eingang zur Ausstellung steht eine alte Hütte mit einem Baum im Hof, als wolle er die verlorene Romantik des Familientreffs rekonstruieren.

Die Familie war arm. Der Vater war als Konterrevolutionär verpetzt und musste offensichtlich eine Gehirnwäsche über sich ergehen lassen. Wie viele Studenten gehörte auch Song Dong 1989 zu den Protestierenden auf dem Platz des Himmlischen Friedens und hörte anschließend auf zu malen. Aber er kehrte 1996 wieder auf den Platz zurück. Am eiskalten Silvesterabend legte er sich auf den Boden und hauchte dem Asphalt 40 Minuten lang seinen warmen Atem ein. Die Ordnungshüter hielten ihn für verrückt, aber er konnte sich als Lehrer ausweisen. Und seine Frau fotografierte die Aktion. Die Aufnahmen hängen in der Ausstellung.

Um nicht zu viel Geld auszugeben, befahl der Vater dem Sohn, mit kostbarem Papier und Tinte zu sparen. So führte der Sohn seine Kalligraphie-Übungen mit Wasser auf Stein aus. In der Kunsthalle sind all die Steine säuberlich aufgebaut, aber es ist natürlich nichts zu sehen, weil Wasser verdunstet. 1996 prägte er in einer Aktion in Lhasa, Tibet, das Wasser mit einem alten Holzstempel. Er stempelte etwas, was nicht zu stempeln ist. Derlei Performances gelten der Flüchtigkeit von Gedanken und Gefühlen. Nicht der visuelle Beweis, sondern die meditative Handlung ist wichtig.

Song Dong bindet im Gegensatz zu seinem Landsmann Ai Weiwei, der es unverbindlich liebt, die kulturellen und geschichtlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen an sich und seine kleine Familie. Das gibt seinem Werk Authentizität. 2005 musste er das Häuschen verlassen, in dem die Eltern, die Schwester und er auf sechs Quadratmetern gelebt hatten. 2012 rekonstruierte er es in einer Transportkiste und bestückte es mit originalen Objekten.

Was erstaunt, sind die vielen Polizisten in der Schau, allesamt mit seinem Konterfei. Ob dies Taktik oder Ironie sei, lässt er offen. Einer dezidiert politischen Fragestellung geht er aus dem Weg. Eigentlich stehe ja, so meint Kunsthallenchef Gregor Jansen, der Polizist der Entwicklung in China im Wege. Song Dong selbst sieht den Ordnungshüter als Art Autorität im eigenen Inneren.

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