Der Schindler aus Osnabrück

Niederländisches Museum würdigt deutschen Besatzer.

Zwolle. Für die Rettung von mehr als 3500 niederländischen Juden wurde er geehrt und als "Schindler aus Osnabrück" bekannt. Dennoch ist der einstige NS-Verwaltungsbeamte Hans Calmeyer (1903-1972) in Holland nicht unumstritten. 65 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird der Osnabrücker von Freitag an in den Niederlanden mit einer Ausstellung gewürdigt. Unter dem Titel "Jodenredder in Duitse dienst" (Judenretter in deutschem Dienst) ist sie bis 14. Mai im "Historisch Centrum Overijssel" der Stadt Zwolle zu sehen.

"Nur wenige Gestalten der niederländischen Besatzungsgeschichte wurden so unterschiedlich bewertet wie dieser Mann, dessen Name untrennbar mit der delikaten Frage der Arisierung verbunden ist", heißt es in der Ankündigung der Ausstellung, die der deutsche Historiker Joachim Castan gestaltet hat.

Calmeyer war 1940 als Wehrmachtssoldat an der Besetzung der Niederlande beteiligt. Später war er in der deutschen Verwaltung in Den Haag für das "Judenreferat" zuständig. Dort hat er nach Aussagen von Geretteten zahlreichen Juden geholfen, Abstammungsnachweise zu fälschen, so dass sie als "Halbjuden" oder "Vierteljuden" eingestuft und damit nicht in Vernichtungslager deportiert wurden.

"Er hat sogar Affären erfunden, die die Mutter oder Oma von jemandem angeblich mal mit einem Arier hatte", sagte Castan niederländischen Medien. "Er sah seine Stellung als Chance, Leben zu retten." Nach dem Krieg habe er sich stets schuldig gefühlt, weil er meinte, er hätte möglicherweise mehr Juden helfen können. Calmeyers Motive seien nie ganz klar geworden, "vermutlich handelte er aus Menschenliebe". Auf jeden Fall habe er weit mehr Juden vor dem Tod in Vernichtungslagern bewahrt als der durch Hollywood weltbekannt gewordene Oskar Schindler, dem 1200 Menschen ihr Leben verdanken. Calmeyers risikoreicher Einsatz wurde 1992 durch die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem gewürdigt. Posthum wurde ihm der Ehrentitel "Gerechter unter den Völkern" verliehen.

Auf der anderen Seite erklärte der niederländische Historiker Conrad Stuldreher 1998, Calmeyers heimliche Rettungstaten seien ein "Mythos". In Wirklichkeit sei er "ein legalistischer deutscher Beamter gewesen, der die Nürnberger Rassengesetze ausführte und mitschuldig ist am Holocaust". Andere Historiker widersprachen dieser Ansicht, unter ihnen Loe de Jong, der das 14-bändige Werk "Das Königreich der Niederlande im Zweiten Weltkrieg" geschrieben hat.

An der Eröffnung der Ausstellung nehmen am Freitag die Osnabrücker Bürgermeisterin Karin Jabs-Kiesler und der Beauftragte der niederländischen Königin für die Provinz Overijssel, Geert Jansen, teil. dpa

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