Bundeskunsthalle zeigt Schätze des British Museum

Bonn (dpa) - Der vielleicht größte Schatz, der aus dem British Museum für gut vier Monate nach Bonn gekommen ist, könnte unscheinbarer nicht sein. Auf den ersten Blick ist es nur ein beliebiger fingergroßer Stein.

Aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die eine Seite stark abgeflacht ist.

Da hat jemand mit einem anderen Stein draufgehämmert. Und zwar vor zwei Millionen Jahren. Es handelt sich um eines der ersten bekannten Werkzeuge, hergestellt von den ältesten Vorfahren des Menschen in Afrika.

„Schätze der Weltkulturen“ heißt die grandiose Schau, die die zuletzt mit Kritik überzogene Bundeskunsthalle von diesem Freitag bis zum 7. April 2013 präsentiert. Sie besteht aus einem zentralen Raum, der dem mit Glas überdachten Innenhof des British Museum nachempfunden ist, und mehreren von dort abzweigenden Kabinetten. Ohne Hierarchie oder Chronologie zeigen sie die Kulturen von Afrika, dem Nahen Osten, Asien, Amerika, Ozeanien und Europa sowie die „Moderne Welt“.

Es sind wirklich unglaubliche Schätze. Die Sarkophage und Mumien, für die das British Museum so berühmt ist, werden dabei fast zur Nebensache, jedenfalls wenn man einen Raum weiter einen fein säuberlich in Keilschrift verfassten Brief eines lang vergessenen Herrschers an den ägyptischen Pharao vor sich hat. 14. Jahrhundert vor Christus. Der Herrscher beschwert sich, dass ein ägyptischer Gesandter mit einem eigentlich für ihn bestimmten Goldgeschenk durchgebrannt ist. Solche Hintergrundinfos gibt ein praktisches Begleitheft, das jedem Besucher in die Hand gedrückt wird.

Aus China liegt eine der ersten Banknoten aus, groß wie ein DIN-A-4-Blatt und aus Baumrinde, hergestellt zu einer Zeit, die man in Europa als Mittelalter kennt. Ungeheuer lebendig und ausdrucksstark die Büste eines jungen Maisgottes der Maya - er symbolisierte Überfluss und Wohlstand. Wild-West-Freunde werden sich für eine indianische Friedenspfeife begeistern, nur ganz wenige davon sind erhalten.

All dies und vieles mehr ist wunderbar anzuschauen, doch je mehr man herumgeht und staunt, desto stärker drängt sich die Frage auf: Warum befindet sich heute all das in London? Die Ausstellung sagt dazu gar nichts, der Katalog nur ein ganz kleines bisschen. Jonathan Williams, der „Director of Collections“, erklärte am Donnerstag in Bonn, das Museum sei 1753 mit dem Auftrag gegründet worden, das gesamte Weltwissen zusammenzutragen und verfügbar zu machen - eine Art Internet des 18. Jahrhunderts. Es sei immer ein Museum nicht nur über, sondern auch für die Welt gewesen. Williams verstieg sich sogar zu dem Satz: „Es ist keine leere Behauptung, dass die Sammlung des Britischen Museums genauso den Deutschen wie den Briten gehört.“

Das klingt gut, aber ähnlich argumentierte auch Napoleon, als er Kulturgüter aus halb Europa zusammenraffte und nach Paris schaffen ließ. Im Louvre, so erklärte er, seien nicht nur Franzosen, sondern alle Menschen willkommen, und dort könne man sich die Sachen viel besser anschauen. Die betroffenen Nationen sahen das irgendwie anders. Aus ähnlichen Gründen muss sich das British Museum heute regelmäßig mit Rückgabeforderungen auseinandersetzen, ebenso wie deutsche Museen, etwa wenn es um die Berliner Nofretete und den Pergamonaltar geht. Diese ganze Problematik noch nicht einmal anzusprechen, ist die Schwäche der Ausstellung.

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