Bonns Dach-Garten

Zur Bilderschau des Berliner Malers Max Liebermann grünt und blüht es auf der Bundeskunsthalle. Ein Besuch.

Bonn. Gewohnte Szenerie in der Bonner Bundeskunsthalle: Besucher bewundern Bilder, heute die des Berliner Malers Max Liebermann. Doch der Rundgang erschöpft sich dieser Tage nicht im Anschauen von Gemälden — und endet auch nicht an der Kaffeebar. Vielmehr folgen die meisten Besucher den Hinweisen und steigen in den Fahrstuhl, um auf das Dach des Museums zu gelangen. Dort erwartet sie eine prachtvolle Gartenlandschaft — und die Einladung, die gemalte mit der realen Welt zu vergleichen.

In seinen letzten Lebensjahren widmete sich Liebermann — der sich im Laufe seines langen Lebens vom Realisten zum Fast-Expressionisten wandelte — fast nur noch seinem am Wannsee gelegenen Garten. Die Bundeskunsthalle hat diesen deshalb in luftiger Höhe nachbauen lassen. Was unten in der Ausstellung die Wände ziert, findet oben eine Entsprechung: die Birkenallee, die bunten Blumenbeete sowie die drei Heckengärten mit Lindenkammer, Rosengarten und ovalem Garten. Nur dass der Blick von dort nicht auf die Segelboote des Wannsees fällt, sondern zunächst auf die markanten Lüftungstürme des Museums, um die der Garten drapiert ist, und später auf die Höhen der Ville und des Siebengebirges.

80 Prozent der Besucher nutzen die Chance dieses ungewöhnlichen Vergleichs zwischen Kunstwerk und natürlichem Abbild. Bereits 73 000 Kunstfreunde genossen den Liebermann-Garten. Bernhard Spies, Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, bekommt angesichts dieser Zahlen glänzende Augen.

Der Mann, der das kleine Wunder vollbracht hat und in einem für ein Museum untypischen Bereich für einen Rekord sorgt, heißt Friedrich Meiberth. Er nennt sich selbst bescheiden Freiraumplaner. Für das Museumsteam ist er schlicht „der Gärtner“, der sich fast täglich um das Wohl der Pflanzen kümmert, der gießt, zupft und schneidet, damit das Gesamtbild auf dem Dach mit dem der Ausstellung korrespondiert.

Dabei ist Meiberth weit mehr als ein Gärtner. Er ist ein ausgesprochener Fachmann, wenn es darum geht, Gartenansichten zu schaffen. 33 Jahre lang war er im Bereich von Gartenschauen tätig, zuletzt als Geschäftsführer der Buga GmbH. „Als ich in den Ruhestand ging, fragte man mich, ob ich das Projekt Liebermann-Garten machen wolle.“ Natürlich wollte er. Schließlich ist dies eine einzigartige Herausforderung.

Ganz so einfach, wie die Museumsleute es sich gedacht hatten, funktionierte das Projekt nicht. Zwar ist das Dach der Bundeskunsthalle dafür ausgelegt, schwere Skulpturen zu tragen. „Aber gewichtsmäßig macht es einen Unterschied, ob man ein Exponat aufstellt oder Bäume und weitere Pflanzen herbeischafft, die im Erdreich stehen müssen“, erklärt Meiberth. Mehr als 500 Kilo pro Quadratmeter dürfen das Dach nicht belasten. Also musste alles so leicht wie möglich konstruiert werden. Die Pflanzen gedeihen in Torf statt in Erde, die Unterkonstruktion bilden Spanplatten, und mehr als hundert Besucher dürfen nicht gleichzeitig aufs Dach. Bei solchen Rahmenbedingungen ist nicht nur gärtnerisches Geschick gefragt, sondern auch handwerkliches. Denn nach besucherstarken Tagen musste die tragende Holzkonstruktion schon mehrfach ausgebessert werden. „Aber bis zum 11. September wird sie wohl halten. Danach wird der Garten abgebaut“, sagt Meiberth und knipst im Vorbeigehen eine welke Blüte ab.

Wie genau übersetzt man einen 7000 Quadratmeter großen, lang gezogenen Seegarten auf eine 9100 Quadratmeter große, quadratische Fläche? „Man kann nur die Elemente zitieren, anders geht es nicht“, sagt Meiberth. So wurde die originale Flucht der drei Heckengärten durchbrochen. Das Linden-Karree wurde kurzerhand um die Glaspyramide des Lichthofs gepflanzt. Und der Birkenhain begleitet — ebenfalls etwas anders als am Wannsee — die Blumenrabatten.

„Das Wichtigste ist die Visualisierung der intimen Gartenbilder“, meint Meiberth. Damit diese stimmen, hat sich der Chefplaner den Landschaftsgärtner Bruno Leipacher und die Stauden-Spezialistin Christine Orel ins Boot geholt. Letztere ist für die Farbzusammenstellung in den Beeten zuständig. Da man in Liebermanns späten Werken kaum noch einzelne Pflanzen erkennt, sondern eher Farbkompositionen, hatte sie bei der Auswahl der Pflanzen recht freie Hand.

Problematischer erwies sich die Gestaltung des Kletterrosen-Rondells: Am Wannsee hatten die Pflanzen jahrelang Zeit, sich um die Rankbögen zu schlingen. In Bonn bleibt dafür nur dieser eine Sommer.

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