Ausstellung: Mischwesen, der Fantasie entsprungen

Die Bastarde des Thomas Grünfeld: Der Düsseldorfer Akademieprofessor mit dem schrägen Humor zeigt seine Kunst.

Düsseldorf. An der Pinnwand in Raum 14 der Kunstakademie Düsseldorf hängt ein Buchtipp. „Gegen den Strich“ heißt die Lektüre. Der Titel des Joris-Karl Huysmans, ein Hauptwerk der Dekadenz, wird von Thomas Grünfeld als „Hammer-Buch“ bezeichnet. Es handelt von einem Mann, der einem Pflanzenkundler die Order gibt, echte Blumen so zu züchten, dass sie wie künstliche aussehen.

Thomas Grünfeld, der in Raum 14 seine Studenten unterrichtet, liebt wie der Autor aus dem 19. Jahrhundert die falschen Dinge, die Extreme, die aus der Normalität entstehen. Er selbst erschafft keine natürlich-künstlichen Blumen, sondern Misfits, seltsame Kreuzungen ausgestopfter Tiere. In der Kunstsammlung NRW (Düsseldorf) und im Museum Schloss Morsbroich (Leverkusen) wird er sie in Kürze zeigen.

Zunächst wirken diese Gestalten wie Ausgeburten moderner Gen-Manipulationen. Würden sie nicht so still vor sich hin dämmern.

Wie kommt ein Lehrer für Bildhauerei dazu, diese lockenden und gleichzeitig gruselnden Schaustücke zu erzeugen? Grünfeld erzählt: „In Köln gab es einen Tierpräparator, bei dem ich eine ausgestopfte Bisamratte im Schaufenster sah, die an einem Hahn hing. Ich kaufte beide, wusste aber anfangs nicht, was ich daraus machen sollte. Erst über die Wolpertinger, diese ausgestopften Waldtiere in österreichischen oder süddeutschen Kneipen, kam ich zu den Misfits.“

Er besuchte abermals den Präparator, kaufte jedoch nur Haustiere und kombinierte. Pferde, Hunde, Ziegen. In der ungewöhnlichen Kreuzung bekamen sie surreale Züge. Mischwesen eben.

Hatten nicht schon die Griechen menschliche Wesen mit Tieren zur Einheit gebracht und Kentauren, Sphinxe und Satyrn geschaffen?

Grünfeld brauchte mehrere Jahre, bis er aus den ausgestopften Teilen seine Misfits, nicht passende Stücke also, herstellte. Er kaufte bei einem holländischen Tierpräparator in großem Stil ein und begann, Feinde aus der Natur in der Kunst zu vereinen. Er sorgte dafür, dass die neuen Tiere ganz klassisch aussahen, mit Standbein und Spielbein, als Liegende und Sitzende. Innen bestehen die Objekte aus Holzwolle, Kordel und Ton.

Seine hybriden Wesen wurden gefeiert, aber immer auch scheel angeschaut. Manche Kunstgänger finden die ausgestopften Dinge schockierend, irritierend, monströs. Andere sind fasziniert von diesen biomorphen Chimären, die so selbstverständlich dastehen wie Wesen aus Sagen und Märchen.

Grünfeld betont: „Ich will keine Sensation, deshalb nehme ich auch keine exotischen Tiere, sondern normale, alltägliche. Sie sind voller Melancholie. Was die moderne Wissenschaft möglich macht, hat die antike Mythologie längst durchgespielt.“ Ob Straußenkuh oder Flamingohund: Aus der Zerstörung gängiger Formen entsteht Neues.

Grünfeld sucht weiter nach Bildelementen, die merkwürdig fremd und gleichzeitig banal wirken. Es entstehen Wandobjekte aus runden Holzplatten und schrägen Röckchen, so dass man nicht genau weiß, ob man denn nun Kunst, Möbel oder Nonsens vor sich hat.

Seine „Gummis“ sind schwellende Körper aus Kautschuk, die, auf dem Boden liegend, wie riesige Pfützen wirken. Hängt man sie an die Wand, möchte man sie streicheln, so wohlgeformt sind sie — und doch bleiben sie undurchdringlich.

Grünfeld entdeckte mundgeblasene Glasaugen im ostdeutschen Lauscha und arrangiert sie auf glänzend weiße Platten. Das Ergebnis erinnert an Bilder, aus denen die Augen den Betrachter anstarren. Thomas Grünfeld sagt: „Das Starren aus dem Bild heraus provoziert die Frage nach dem Wesen hinter der Oberfläche des Bildes.“

Schließlich platziert er ausgestopfte Spatzen auf Kricketbälle. Mag sein, dass Schlagbälle die Vögel tödlich getroffen haben, bevor sie auf den roten Kugeln eine Bauchlandung machen und dort schließlich auch ihre Ruhe finden.

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