Alarm in Kassel - Documenta auch in Athen

Kassel (dpa) - Eigentlich ist die Documenta für ihre kontroversen Kunstaktionen bekannt, nun sorgt allerdings ein geplanter Abzug von Teilen der Ausstellung für Aufregung. Die Weltkunstausstellung soll 2017 statt in Kassel in Athen eröffnet werden.

Damit wollen die Macher die Kultur- und Demokratienation Griechenland mal nicht als Pleitestaat in der Öffentlichkeit zeigen. Doch die nordhessische Metropole ist empört und reagiert eifersüchtig. Kassel bleibe Hauptausstellungsort für die Documenta 2017, beruhigt die Geschäftsführerin der Documenta, Annette Kulenkampff, am Donnerstag im Nachrichtensender hr-Info.

Nach Angaben des künstlerischen Leiters Adam Szymczyk beginnt die 14. Documenta im April 2017 zunächst in Athen, sie wird danach am 10. Juni 2017 in Kassel eröffnet und schließt dort nach genau 100 Tagen am 17. September 2017. Arbeitstitel der Ausstellung: „Von Athen lernen“. Die Documenta gilt als weltweit bedeutendste Schau zeitgenössischer Kunst. Zur Documenta 13 kamen 2012 mehr als 860 000 Besucher nach Kassel.

Seit der Gründung 1955 findet die Schau zunächst alle vier, mittlerweile alle fünf Jahre in Kassel statt. Dies sei für die kommende Ausstellung nicht länger haltbar und „verlangt förmlich nach einer, wenn auch nur temporären, Infragestellung“, teilte die Documenta mit Blick auf den Ort mit.

Szymczyk sagte, die Entscheidung hänge mit der aktuellen Situation in Europa zusammen, die künstlerisches Handeln motiviere. Zudem wolle die Documenta 14 „die greifbaren Spannung zwischen dem Norden und dem Süden“ manifestieren.

In Kassel schrillen die Alarmglocken: Der Einzelhandel zeigte sich in der „Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen“ („HNA“) schockiert, der Hotel- und Gaststättenverband fürchtet um seine Übernachtungen, die CDU fordert ein Machtwort von Oberbürgermeister Bertram Hilgen (SPD), der auch Documenta-Aufsichtsratsvorsitzender ist. Der jedoch verteidigt das Konzept.

Die Documenta-Professorin Dorothea von Hantelmann von der Universität Kassel sagte der „HNA“, Szymczyk verdiene Rückendeckung. „Die Ausstellung in Kassel von Athen aus denken - das hat es so nie gegeben.“ Besonders den Gedanken, aus der Position des Gastgebers in die des Gastes zu wechseln, sich selbst außerhalb des Zentrums zu rücken, findet sie plausibel.

Bernhard Balkenhol, Dozent in der Kunsthochschule, sagte, er bedauere, dass die Politik zu sehr im Fokus stehe. „Mir kommt die Kunst zu kurz.“ Der Documenta-Historiker Harald Kimpel stellte die Frage, ob Kassel nun eine Verdoppelung der Ausstellung bekomme oder nur eine halbe Documenta bleibe.

Nicht zum ersten Mal zeigt die Weltkunstausstellung auch Kunst anderorts. Erst bei der vergangenen Documenta 2012 hatte die künstlerische Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev das ägyptische Alexandria und Banff in Kanada als Documenta-Orte ausgewiesen. In Kabul (Afghanistan) gab es sogar eine eigene Ausstellung mit rund 27 000 Besuchern.

Die Kuratorin und Schriftstellerin Marina Fokidis sagte, für Griechenland sei es ein wichtiges Signal. „In unserem Land läuft die staatliche Kunstförderung aus nahe liegenden Gründen auf Sparflamme.“ Dennoch entwickele sich die zeitgenössische griechische Kunst „so intensiv wie seit langem nicht mehr. Das gibt uns große Hoffnung“. „Von Athen lernen“ bedeute auch, zu lernen, wie Kunst und Kultur sich in Zeiten der Krise halten könnten. Fokidis gehört zum derzeit 15-köpfigen Team von Szymczyk.

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