Akademie der Künste: Staeck macht weiter, Hochhuth geht

Berlin (dpa) - Im Streit um das Grass-Gedicht zu Israel hat der Dramatiker Rolf Hochhuth die Akademie der Künste in Berlin türenschlagend verlassen.

In einem Offenen Brief mit dem Titel „Ich weigere mich, zwischen Antisemiten zu sitzen“ erklärte der 81-Jährige am Sonntag seinen Austritt aus der Akademie. Eine Diskussion über das Gedicht von Günter Grass (84) am Samstagabend in der Vollversammlung sei einseitig verlaufen, erklärte Hochhuth.

Der wiedergewählte Akademiepräsident Klaus Staeck (74) forderte unterdessen mehr Debatten innerhalb der Kulturinstitution. Die Verpflichtung, „in Staat und Gesellschaft Freiheit und Anspruch der Kunst“ zu vertreten, verlange auch Streitbarkeit untereinander, sagte Staeck der dpa. Die Vertreter der Akademie müssten sich mehr fragen: „Was ist unser Alleinstellungsmerkmal? Sind wir doch Experten für das Besondere - nicht das Gängige oder gar Gefällige.“

Staeck betonte am Sonntag, ihm liege die Bildungsarbeit besonders am Herzen. „Wir werden ja vom Steuerzahler immer noch gut für unsere Arbeit ausgestattet. Und deshalb hat die Gesellschaft ein Recht, dafür auch etwas zurückzubekommen.“

Zur Diskussion um die Kulturfinanzierung in Deutschland sagte der Künstler der Nachrichtenagentur dpa, die Akademie werde immer wieder darauf aufmerksam machen, was es bedeute, wenn ein Theater, ein Museum oder eine Bücherei schließen müsse. „Aber es ist selbstverständlich, dass in so schwierigen Zeiten wie jetzt die Verteilungskämpfe sich verschärfen.“

Der Dramatiker Hochhuth begründete unterdessen seinen Austritt aus der Akademie damit, er sei in der Diskussion über das israelkritische Grass-Gedicht regelrecht niedergeschrien worden. Hochhuth hatte nach eigenen Angaben verhindern wollen, dass die Diskussion in der Vollversammlung überhaupt stattfindet. Er habe befürchtet, „diese Diskussion verlaufe einseitig zugunsten des Irans und der Palästinenser auf Kosten Israels“, heißt es in seiner Erklärung.

Das Gedicht von Grass, so schreibt Hochhuth, hätte „sehr gern - der 1946 in Nürnberg gehängte - Julius Streicher in seinem "Stürmer" gedruckt“. Er, Hochhuth, sei bei seinen Fragen ständig unterbrochen worden. Er sei daher „die Türe schlagend“ hinausgegangen.

Grass hatte für sein Israel-Gedicht scharfe Kritik aus dem In- und Ausland erhalten. Israel erteilte ihm Einreiseverbot. Hochhuth, der das Drama „Der Stellvertreter“ über den Vatikan in der NS-Zeit verfasst hat, hatte Grass deshalb bereits angegriffen: „Du bist geblieben, was Du freiwillig geworden bist: der SS-Mann, der das 60 Jahre verschwiegen hat, aber den Bundeskanzler Kohl anpöbelte, weil der Hand in Hand mit einem amerikanischen Präsidenten einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch 40 SS-Gefallene liegen“, schrieb er in einem Offenen Brief.

In dem Gedicht „Was gesagt werden muss“ hatte der Literaturnobelpreisträger Grass („Die Blechtrommel“) geschrieben, die Atommacht Israel bedrohe den Weltfrieden und könne das iranische Volk mit einem Erstschlag auslöschen.

Die Akademie der Künste ist eine internationale Gemeinschaft von Künstlern. Derzeit hat sie 398 Mitglieder. Bei der nicht öffentlichen Mitgliederversammlung wurde der gesamte Senat neu gewählt. Die Mitgliederversammlung bestätigte den Plakatkünstler Staeck für weitere drei Jahre an der Spitze der Akademie. Seine Stellvertreterin Nele Hertling (78) wurde ebenfalls für weitere drei Jahre gewählt. Beide amtieren seit 2006.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort