Die Tiefparterre im K 21, der Dependance der Kunstsammlung NRW für zeitgenössische Kunst in Düsseldorf, gleicht einem Riesen-Kino. In den zahlreichen, ausladenden Kojen präsentiert Isaac Julien neun Filme. Manchmal auch gedruckte Bilder aus einem Film-Still. Häufig laufen verschiedene Szenen parallel auf mehreren Bildschirmen.
Ist der Macher Filmkünstler oder Kunstfilmer? Auf Sir Isaac Julien –vor einem Jahr von King Charles III. zum Ritter geschlagen – trifft beides zu. Wie der 1960 in London geborene Farbige, dessen Eltern einst nach England immigrierten, auf seinen malerischen Filmen eindeutig Stellung bezieht gegen Rassismus und Homophobie und auf wunderschönen Bildern in eine intime, gewalt- und angstfreie Männerwelt entführt, ist schon einzigartig.
Seine Installationen und weichgezeichneten Inszenierungen von bewegten, erzählerischen Bildern sind längst in namhaften Museen der Welt (wie dem New Yorker Moma) und Privatsammlungen vertreten. Erstmals wird dem renommierten Sir Isaac (63) in einem deutschen Museum eine umfassende Werkschau gewidmet. „Einfach nur zu malen, das ist mir zu langweilig“, provoziert Isaac Julien im Gespräch. Doch die meisten seiner Filme faszinieren deshalb, weil viele Figuren und Szenen wie auf altmeisterlichen Gemälden dekoriert und komponiert sind. Außerdem werden sie kommentiert von sanft sonoren Stimmen und eingehüllt in leise, sonore Musik.
Gesamtdauer der Filme: viereinhalb Stunden. Jeweils präsentiert in einem ästhetischen Kosmos, in den der Betrachter eintaucht und Juliens betörende Schwarz-Weiß-Ästhetik ergeht. Von einem zum nächsten Klein-Kino. In „Looking for Langstone“ tanzen farbige Männer in Anzug und Krawatte Hüfte an Hüfte in einer Schwulenbar.
Dann stehen wir in „Once again. Statues never die“ (aus dem Jahr 2022) in Künstlerateliers, in denen nur wohl gestaltete Männer von männlichen Künstlern porträtiert werden oder Kunstflaneure durch eine Skulpturen-Schau schlendern. Oder ein Sammler, aufrecht auf einem Stuhl sitzend, erklärt, was daran so besonders ist. In einen Sog ziehen einen die geheimnisvolle Welt von Modellen, Betrachtern und Käufern, zumal die Streifen auf sechs Großbildschirmen laufen, die verschachtelt im Raum stehen. So erläuft man die nostalgische Welt - überwiegend mit bildschönen Menschen.
Ähnlich wie in Vintage-Streifen – nachempfunden der Zeit vor und nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg. „Lessons of the hour“ (Lehren der Stunde) führt in und durch das Leben des Freiheitskämpfers Frederick Douglass (1818-1895). Dieser in Vergessenheit geratene Aktivist und Schriftsteller – obwohl er als der meist fotografierte Amerikaner des 19. Jahrhunderts gilt - erinnert sich an Versklavung und an die zahlreichen Kämpfe gegen Rassismus. Man sieht und hört die beschwörende Rede eines Polit-Aktivisten in blauem Frack vor einer Versammlung.
So wie in dieser Zehnkanal-Installation (2019) in einem dunkelrot gestrichenen Vorführ-Saal stellen Julien und sein Team aus Regisseuren, Kameramännern, Designern, Ausstattern etc. Szenen nach wie in einem Historien-Film. Hier sind es Schlüsselszenen aus Douglass‘ Leben. Daraus stammt auch das Filmgemälde „The Lady oft he Lake“: Eine Farbige thront in einem elegant möblierten Salon im Kolonialstil und strahlt die Souveränität und Erhabenheit aus - wie die Dame des Hauses. Als beinah lebensgroßes Format ausgedruckt und gediegen, wie auf einer Kunstmesse, ausgestellt. Dieser wandfüllende Groß-Druck (erschienen in Sechser-Auflage) zeigt, wie sehr Julien die Ästhetik auf die Spitze treibt.
Lebendig gemacht werden die Tableaus von Darstellern der Royal Shakespeare-Company. Auf zehn Leinwänden laufen parallel Natur- und romantische Landschaftsbilder, im Wechsel mit Orten der Schönheit und der Gewalt und des Traumas von Versklavung-Traumas. In Szene gesetzt und bis in die kleinste Nische brillant ausgeleuchtet.
Fazit: Auch wenn in dieser Schau die Toleranz-Plädoyers für Homosexualität und gegen Rassismus und Kolonialismus allgegenwärtig sind, so hat Sir Isaac wenig übrig für laut bellende und plakativ grelle Polit-Kunst. Politische Mahnungen gegen heutigen Rassismus – wie der Verweis auf die Ermordung des 46jährigen George Floyd in Minneapolis durch einen Polizisten – erkennt der Betrachter eher indirekt. Besonders in seinem Frühwerk.