Buch Helge Achenbach Autobiografie - Bekenntnisse eines Kunsthändlers

Düsseldorf · Bei seinen Deals war Ex-Kunstberater Helge Achenbach wie ein „Junkie, der den nächsten Schuss braucht“. Seinen Aufstieg und Fall beschreibt der verurteilte Düsseldorfer nun in seiner Autobiografie.

 Helge Achenbach fand nach seiner Haft bei Günter Wallraff Unterschlupf. Jetzt hat er ein Buch über sich und den Kunstmarkt geschrieben.

Helge Achenbach fand nach seiner Haft bei Günter Wallraff Unterschlupf. Jetzt hat er ein Buch über sich und den Kunstmarkt geschrieben.

Foto: Helga Meister

Spätestens seit den Niedrigzinsen ist der Kunstmarkt ein Tummelplatz für Vermögende geworden. Objektive Werte gibt es nicht, feste Regeln oder Aufseher auch nicht. Die Grauzonen allein bei der Preisfindung und der Auslegung der Rechnungen sind riesig. Viele Berater vereinbaren nicht nur eine Provision mit dem Käufer, sondern auch eine zusätzliche mit dem Galeristen, wovon der Käufer nichts erfährt. Helge Achenbach kennt sich aus. Der 67-Jährige hat das Spiel lange mitgemacht. Nachzulesen in seinem neuen Buch „Selbstzerstörung“, das heute in den Handel kommt.

Die „Bekenntnisse eines Kunsthändlers“ enthalten die „schonungslose Beschreibung des Kunstmarkts“, wie er es nennt. Der Mann, der die Familien Aldi und Viehof betrog und allein den Aldi-Erben 19 Millionen Euro schuldet, spricht von einem Monopoly-Spiel, vom globalen Turbokapitalismus und schildert seine eigene Entwicklung zum ganz Großen der Kunstszene.

Zweimal hatte Achenbach vergebens Anlauf genommen zu einem in Auftrag gegebenen Buch über sich, sein Schicksal, seine gefälschten Rechnungen und seinen Gefängnisaufenthalt. Im Vorjahr dann kramte er seine Notizen hervor und fing selbst an zu schreiben. Entstanden ist kein Reuebuch über seine Verluste an Vermögen, Reputation und Freiheit, sondern ein Situationsbericht über den Kunstmarkt. Zuweilen gibt es zwischendurch auch humorige Passagen – etwa über seine Zeit als Fortuna-Präsident.

Berater und Freund war Günter Wallraff, der einen Namen als investigativer Journalist und Schriftsteller hat. Dessen Kölner Wohnung gilt noch heute als eine von Achenbachs Adressen. Der frisch gebackene Autor bezeichnet sich zwar selbst als „Dealer-König, Spieler, Abenteurer, Schlitzohr, Gockel und Schlawiner“, aber er schreibt kein echtes Enthüllungsbuch: Das Manuskript musste er einer juristischen Prüfung durch die Rechtsanwälte Partsch & Partner in Berlin unterziehen. Damit wird manche Passage zum Rätsel. Bestes Beispiel ist das Kapitel, das unter der Überschrift „Größenwahn und Golfkrieg“ von der „Sammlung des Bankers“ handelt. Wir erfahren nicht, wer der Banker ist, der ins Gefängnis musste und längst wieder ein freier Mann ist. Wir lesen zwar Namen von Konkurrenten im Haifischbecken, wie denen der berühmten Galerien Gmurzynska und Greven, mit denen er sich nach einer erbitterten Schlacht die Beute teilte. Dann aber kam der Golfkrieg, und der Kunstmarkt brach erst einmal zusammen.

Minutiös schildert „Aldi-Betrüger“ Achenbach sein Verhältnis zu Berthold und Babette Albrecht. Dabei klingt zuweilen gar eine Realsatire an. Die beginnt schon in den ersten Sätzen des Buchs. Als er nach zwei Jahren und drei Monaten Haft 2016 das Gefängnis erstmals verlässt, kauft er sich bei Aldi einen Apfelkuchen und eine Flasche Wasser, da die Zeit von Feinkost und Sternerestaurants eh vorbei sei. Doch später im Text kommt seine Krämerseele zum Vorschein, wenn er eine Händlerprovision von fünf Prozent, die er mit Berthold Albrecht vereinbart hatte, als einen schlechten Witz bezeichnet. Die überklebten Rechnungen entschuldigt er damit, dass der Kunsthandel in der Regel mit Gewinnspannen von zehn bis 50 Prozent und mehr rechne. Im Nachhinein sei die Einigung auf die minimale Provision der „größte geschäftliche Fehler seines Lebens“ gewesen.

Er sei vor Bertholds Reichtum innerlich eingeknickt und feige gewesen, lamentiert er. „Natürlich versucht man auch, sich zu entschuldigen“, sagt er. Aber dann wird er prinzipiell: Nirgendwo lasse sich besser mit Geld spielen, nirgendwo lasse sich Geld besser verstecken. Mindestens jeder dritte Bieter in einer Auktion sei ein Strohmann. Auf dem Kunstmarkt sei das falsche Spiel keine Ausnahme, sondern die Regel.

Leben von Helge Achenbach soll verfilmt werden

Heute spielt er den „Helge im Glück“, hat eine neue Freundin, arbeitet für den gemeinnützigen Verein „Kultur ohne Grenzen“ und beherbergt auf einem Kaarster Bauernhof unter anderem den syrischen Flüchtling Yahia Silo, der sein Buch passagenweise illustriert hat. Achenbach ist inzwischen ein gefragter Gast bei Managerseminaren und Kunstfreunden. Sein Thema: das Scheitern. Er meide Vernissagen und Messen, aber schließe ein Combeback im Kunstgeschäft nicht aus. Strahlend erzählt er von seiner Beratertätigkeit angesichts eines angeblichen Kokoschka-Bildes. „Vielleicht gelingt es mir ja, meine Schulden bei Aldi abzuzahlen“, sagt er im Gespräch. Immer wieder würden einzelne Sammler auf dem Hof bei ihm vorsprechen. Den großen Zampano aber gebe es nicht mehr.

Konkurrenz ist trotzdem gefragt. Er hofft, dass sein Buch mindestens so erfolgreich wird wie das seiner Ex-Frau Dorothee, die es auf die Bestsellerliste des Spiegels schaffte. Auch ein Filmproduzent habe schon angebissen und schreibe das Drehbuch für die Zeitsprung Pictures GmbH, einen Videoproduktionsdienst aus Köln: „Dieses Buch, wenn man es so nimmt, kann man ja eins zu eins verfilmen.“

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