Grimme-Preis: Bitte recht schrill, laut und frech

Das ZDF erhält fünf der zwölf Auszeichnungen. Private Sender gewinnen erstmals doppelt in der Sparte „Information“.

Düsseldorf. Weil es mittlerweile für jede erdenkliche Sache irgendeine Auszeichnung gibt: Was ist der Grimme-Preis, und was will er eigentlich? Es handelt sich um eine Auszeichnung dessen, "was die Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzt und Vorbild für die Fernsehpraxis sein kann", heißt es in den Statuten.

Der Preis wird seit 1964 verliehen. Er soll, in den Worten eines Jurymitglieds, auch Ermunterung sein, ein "Weiter so" für Ansätze, die bislang zu wenig gewürdigt wurden. Gewünscht sind Filme, die gerne ein wenig skurril und absurd sein dürfen. Und "schrille, laute, freche" Unterhaltung. Dinge, die ein bisschen abseits stehen.

Es verwundert deshalb nicht, dass die großen Themen des vorigen Jahres - Folgen der Wirtschaftskrise, 20 Jahre Mauerfall, 60 Jahre BRD - nicht oder nur am Rande vorkamen. Ausgezeichnet wurden unter anderem eine Dokumentation über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens und ein ZDF-Film über die Suche nach Vermissten des Tsunami: "Kommissar Süden und der Luftgitarrist". Der Film bringt Regisseur Dominik Graf schon den achten Grimme-Preis ein. So viele gewann noch keiner.

Mit "Kommissar Süden und der Luftgitarrist" wurde ein Film ausgezeichnet, der "herausragend ist und einstimmig gut bewertet wurde", sagt der Journalist Thomas Gehringer, Vorsitzender der Jury "Fiktion". Der Kommissar (Ulrich Noethen) wurde beim ZDF allerdings bereits nach zwei Folgen wieder abgesetzt. Die Quoten waren nicht gut genug.

Das ZDF ist der große Gewinner 2010: Sechs Produktionen wurden ausgezeichnet, in der Sparte "Fiktion" gewann der Sender vier von fünf Preisen - ein Gebiet, das privaten Sendern sonst mehr Preise bringt. Die erhielten dafür erstmals zwei Preise im Bereich Information und Kultur - ein Feld, das sie sonst den Öffentlichen-Rechtlichen überlassen müssen. Das Deutsche Sportfernsehen (DSF), ausgezeichnet für den Film "Tabubruch" über Homosexualität im Fußball, wurde denn auch spaßeshalber von der Jury gefragt, wie der Sender und der Preis zusammenpassen.

Dokumentationen über den Mauerfall wurden schon deshalb nicht gewürdigt, weil die Jury Filme über Leute, die an der Berliner Mauer stehen und "Wahnsinn" schreien, "nicht mehr sehen konnte". Zu gewöhnlich. Ganz im Gegensatz zu "Tiananmen - 20 Jahre Massaker": Thomas Weidenbach und Ming Shi (der erste chinesische Grimme-Preisträger) haben mit Fleiß und Gespür beeindruckendes Material zusammengetragen, ohne sensationsheischend "andauernd zu betonen, wie besonders diese Aufnahmen sind", meint Juror Werner Ruzicka.

Mit der "heute-show" (ZDF) wurde in der Unterhaltung ein Format ausgezeichnet, das zwar nicht neu ist, aber etwas "wagt, statt nur abzuwägen". Auch dass die Optik der Sendung um Oliver Welke den regulären Nachrichten ähnelt, wurde gewürdigt. Den zweiten Preis in dieser Kategorie erhielt Ina Müller für "Inas Nacht" (ARD). Alle Auszeichnungen sollen am 26. März in Marl verliehen werden, dem Sitz des Adolf-Grimme-Instituts.

Ein weiterer Gewinner, "Frau Böhm sagt nein" (WDR), ist ein Film über eine Sachbearbeiterin (Senta Berger), die gierigen Bossen ihre Boni verweigert (Vorbild war der Mannesmann-Prozess). Franziska Walser, Schauspielerin im Gewinner-Drama "Ein halbes Leben", beklagte bei der Pressekonferenz den Mangel an guten Drehbüchern. Und die Juroren bedauerten die Einfalt der Serien-Landschaft im deutschen Fernsehen und die Angst vor Experimenten. Das alles hat auch finanzielle Gründe. Da war sie dann doch noch, die Wirtschafts-Krise beim Grimme-Preis.

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