Volker Schlöndorff: „Ich bin ein Bilderhändler“

Interview: Regisseur Volker Schlöndorff spricht über seinen aktuellen Film „Ulzhan“ und über seine erneute Arbeit mit David Bennent.

Düsseldorf. In seinem Film "Ulzhan - Das vergessene Licht", der am Donnerstag ins Kino kommt, erzählt Regisseur Volker Schlöndorff (68) die Geschichte des Franzosen Charles, der nach einem schweren Schicksalsschlag zu einer Reise in die leeren Weiten Kasachstans aufbricht, wo ihn die Begegnung mit einer resoluten einheimischen Lehrerin - vielleicht - neuen Lebensmut schöpfen lässt. Der Film entstand nach einem Drehbuch von Jean-Claude Carriere ("Die Blechtrommel"), in einer zentralen Rolle ist "Blechtrommel"-Darsteller David Bennent zu erleben.

Herr Schlöndorff, teilen Sie die Sehnsucht Ihres Filmhelden nach Einsamkeit?

Schlöndorff: Ich bin ziemlich gesellig, und ich glaube, unser Held ist es auch. Nur nicht unter den speziellen Umständen, in denen er sich befindet. Wir haben angenommen, dass ihn die schlimmstmögliche Tragödie getroffen hat. Was macht er? Er will weg von den Menschen, in die größtmögliche Leere. Er hätte genauso gut nach Patagonien gehen können, wenn unser Autor zufällig auf einem Festival in Buenos Aires gewesen wäre. Er war aber in Alma-Ata in Kasachstan und kam mit dieser Idee von einem Land zurück, das so groß wie Indien und dennoch fast leer ist.

Ist Charles’ Reise eine instinktive Reaktion, um sich selbst zu heilen?

Schlöndorff: Genau. Die Bewegung an sich hat Heilkraft, das ist das zweite, ganz wichtige Element. Auch daran glaube ich aus persönlicher Erfahrung. Ich habe vor etwa 15 Jahren mit dem Langstreckenlauf angefangen. Ich habe das nachweisbare Gefühl, dass sich mein Leben dadurch sehr verändert hat, weil ich mich viel wohler fühle.

Wie verlief Ihre Begegnung mit Kasachstan?

Schlöndorff: Schmerzhaft. Dort herrscht eine byzantinische Bürokratie. Das beginnt schon beim Erteilen eines Visums und setzt sich vor Ort jeden Tag fort, als ob jeder daran gehindert werden soll, irgend etwas zu tun. Aber was kann die Landschaft dafür, was können die Menschen dafür, denen man unterwegs begegnet? Die leiden ja selbst darunter. Ich habe dann eben doch Leute getroffen, die uns geholfen haben, die uns an die richtigen Orte geführt haben, an denen man eine Entdeckungsreise gemacht hat.

Mit Katharina Thalbach sind Sie bei den Dreharbeiten zu "Strajk" am Strand von Danzig spazieren gegangen und haben über alte "Blechtrommel"-Zeiten geplaudert. Gab es solche Momente auch mit David Bennent?

Schlöndorff: Es gibt im Film diesen Moment, als David als Schamane tätig ist und einer Jurte die bösen Geister austreibt und auch für einen Moment eine Trommel in die Hand nimmt. Wir haben das sehr dosiert, aber da kann man natürlich zurückdenken. Ich habe zu David in den letzten 25 Jahren ein sehr gutes, starkes Verhältnis gehabt. Obwohl wir nie mehr zusammen gearbeitet haben, haben wir uns immer wieder getroffen. Der Erfolg schmiedet einen natürlich auch zusammen. Wir beide haben dieses Markenzeichen "Blechtrommel" eingebrannt. Ich habe es irgendwann als mein Markenzeichen akzeptiert. David hat Jahrzehntelang dagegen angekämpft, auch verständlich.

Sind solche Beziehungen ein Antrieb?

Schlöndorff: Mir macht es einfach nach wie vor Freude, Filme zu machen. Ich fühle mich nirgends so wohl wie am Drehort, wo ich mit einem Team arbeite und mit ganz anderen Leuten, in ganz anderen Ländern. Es ist schön, wenn man immer so ein paar Fäden der Kontinuität hat, mal über das Drehbuch und Jean-Claude Carriere, mal über den Kameramann, mit dem man nach Jahren wieder zusammenarbeitet, mal durch einen Schauspieler. Man hat dann das Gefühl, dass man nicht immer wieder bei Null anfängt, sondern etwas immer weiter fortsetzt, was man irgendwann mal angefangen hat. Regisseur ist - man soll es nicht so laut und nicht weitersagen - der tollste Beruf, den es gibt.

In Ihrem Film gibt es einen Worthändler, der die Worte anderer Menschen verkauft. Sind Sie auch einer?

Vita Schlöndorff wurde am 31. März 1939 in Wiesbaden geboren.

Filme Seinen internationalen Durchbruch schaffte er 1979 mit der Verfilmung des Romans "Die Blechtrommel" von Günter Grass, der einen Oscar erhielt. Zuletzt war von ihm "Strajk - Die Heldin von Danzig" in den Kinos zu sehen. Wegen seiner Kritik an der Verquickung von Fernseh- und Kinoauswertung, kündigte die Constantin ihm als Regisseur von "Die Päpstin".

Zu Gast Volker Schlöndorff präsentiert seinen neuen Film "Ulzhan" am Samstag um 19.30 Uhr im Cinema in der Düsseldorfer Altstadt.

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