„The Artist“ gewinnt fünf Oscars

Hollywood (dpa) - Der französische Stummfilm „The Artist“ ist der große Oscar-Gewinner 2012. Das nostalgische Schwarz-Weiß-Werk wurde in der Nacht zum Montag in Hollywood gleich fünf Mal ausgezeichnet, darunter als bester Film.

Mit der Sehnsucht nach Vergangenem spielt auch Martin Scorseses „Hugo Cabret“. Die Großproduktion in 3D bekam ebenfalls fünf Preise, allerdings nur in Nebenkategorien. Dabei gab es auch einen Oscar für die in Frankfurt ansässige Spezialeffekt-Firma Pixomondo. Alle anderen deutschen Anwärter wie der Regisseur Wim Wenders gingen leer aus. Beste Schauspieler wurden Meryl Streep und der „Artist“ Jean Dujardin.

Dujardin gilt spätestens seit der Oscar-Nacht als „French Clooney“, da er sich mit einer geballten Portion Charme gegen den ebenfalls nominierten US-Superstar George Clooney durchsetzen konnte. Der 39-Jährige gewann als erster Franzose überhaupt den begehrten Preis als bester Schauspieler. Er verkörpert in „The Artist“ einen Stummfilmstar, der an der Einführung des Tonfilms scheitert. Im Film spricht er fast kein Wort, bedankte sich auf der Bühne des Hollywood & Highland Center dann mit fester Stimme: „Wow, das ist genial, merci, formidable!“ Frankreich feierte den Oscar-Erfolg am Montag überschwänglich.

Es ist 83 Jahre her, dass ein Stummfilm mit dem Haupt-Oscar prämiert wurde. Der Erfolg wurde in Paris von Premierminister François Fillon als „historische Premiere“ gefeiert. „Artist“- Regisseur Hazanavicius verbeugte sich in seiner Dankesrede ausdrücklich vor dem Mythos der alten Traumfabrik und sagte gleich dreimal hintereinander: „Ich danke Billy Wilder!“. Der 2002 gestorbene Regisseur („Sunset Boulevard“) sei für ihn „die Seele Hollywoods“.

Der 82 Jahre alte Kanadier Christopher Plummer sorgte für einen weiteren Rekord bei der 84. Oscar-Gala, die routiniert, aber ohne große Höhepunkte von Billy Crystal moderiert wurde. Plummer stemmte die Trophäe als bester Nebendarsteller in die Luft - und ist damit der bisher älteste Gewinner in dieser Kategorie. „Du bist nur zwei Jahre älter als ich - wo bist du nur mein Leben lang gewesen?!“, sagte Plummer. In dem Drama „Beginners“ spielt er einen älteren Mann, der sich erst nach dem Tod seiner Ehefrau zu seiner Homosexualität bekennen kann.

Mit den Tränen kämpfte Meryl Streep (62) auf der ganz im Nostalgie-Trend dekorierten Bühne. Die Amerikanerin zeigte viel Gefühl nach ihrer Ehrung als „Die Eiserne Lady“ Margaret Thatcher. Sie bedankte sich zuerst bei ihrem Mann für 35 Jahre Ehe: „Alles, was mir in meinem Leben am Wichtigsten ist, hast du mir geschenkt.“ Ihrem Maskenbildner dankte sie für 30 Jahre Treue. Die 17. Nominierung brachte Streep den dritten Oscar ihrer Karriere. Streep kommentierte das mit Selbstironie: „Als ich eben meinen Namen hörte, hatte ich das Gefühl, dass halb Amerika aufstöhnt: "Nein, nicht schon wieder die..."“

Octavia Spencer gewann dagegen gleich mit ihrer ersten Nominierung einen Oscar: Die 39-jährige Afro-Amerikanerin wurde für ihre Leistung in dem Rassendrama „The Help“ als beste Nebendarstellerin geehrt.

Pech hatte Wim Wenders. Der Deutsche war für seine 3D-Dokumentation „Pina“ über das Werk der verstorbenen Choreografin Pina Bausch nominiert. Doch wie schon vor zwölf Jahren mit „Buena Vista Social Club“ reichte es auch dieses Mal nicht für den wichtigsten Filmpreis der Welt. Für die Tänzer ist der Film „Pina“ ohnehin viel mehr als eine Nominierung für den begehrtesten Filmpreis der Welt. Die „Wahrheit der Trauer“ sei in „Pina“ enthalten, sagt die Tänzerin Julie Stanzak bei der nächtlichen Oscar-Party des Bausch-Ensembles in Wuppertal.

Auch der Hamburger Kurzfilmer Max Zähle ging mit seinem 25 Minuten langen Adoptionsdrama „Raju“ leer aus. Ebenso wie die Kostümbildnerin Lisy Christl. Die gebürtige Münchnerin hatte für ihre Arbeit an dem Film „Anonymus“ von Roland Emmerich Chancen, verlor dann aber gegen die Macher von „The Artist“.

Auch wenn die deutsche Oscar-Delegation ohne „Goldjungen“ abreisen muss: Nach der Trophäen-Gala wurde in Hollywood trotzdem gefeiert und auf neue Projekte angestoßen. Der Hamburger Kurzfilmer Max Zähle fühlt sich auch ohne Oscar wie ein Gewinner. „Wir waren, bleiben und werden immer Oscar-nominiert sein. Ob wir die Statue haben oder nicht, das ist total egal“, flüsterte der 34-jährige Regisseur mit heiserer Stimme auf der Oscar-Party im Lounge-Garten des Edelhotels „Sunset Marquis“ in Hollywood.

In der Kategorie „Beste nicht-englischsprachige Produktion“ gewann „Nader und Simin - Eine Trennung“. Das iranische Drama von Regisseur Asghar Farhadi hatte im vergangenen Jahr bereits den Goldenen Bären der Filmfestspiele in Berlin bekommen.

Während für nahezu alle Oscar-Nominierten der Gang über den roten Teppich und die Gala zu den aufregendsten Erlebnissen gehören, hat ein Regisseur die „Nacht der Nächte“ wieder einmal geschwänzt. Woody Allen (76) blieb der Veranstaltung traditionsgemäß fern. Den vierten Oscar seiner langen Karriere - für das Drehbuch zu „Midnight in Paris“ - wird ihm die Academy nun auf anderen Wegen zukommen lassen.

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