Regisseur David Cronenberg: Gewalt gehört zum Geschäft

Interview: Regisseur David Cronenberg spricht über seinen Thriller „Tödliche Versprechen“, über die Mafia und Tätowierungen.

<strong>Hamburg. Der kanadische Regisseur David Cronenberg (64) galt lange Zeit als Kultmeister des intelligenten Horrors. Mit Filmen wie "The Dead Zone", "Die Fliege" oder "Crash" prägte er ein eigenes Genre. 2005 drehte Cronenberg erstmals mit dem "Herr der Ringe"-Star Viggo Mortensen den klugen Thriller "Eine Geschichte der Gewalt". Wieder mit Mortensen in einer Hauptrolle zeigt er nun "Tödliche Versprechen" über eine russische Mafiabande in London. Finden Sie, dass Gewalt in Osteuropa eine andere Kultur hat als im Westen?Cronenberg: Ach, dort gibt es sicherlich nicht mehr Gewalt als an anderen Orten der Welt. Was zurzeit in Russland passiert, ist das: Da war eine alte Kultur im Kommunismus unterdrückt und ist jetzt wieder aufgetaucht in einer sehr brutalen Form von Kapitalismus, der an Kriminalität grenzt. Die Gewalt der Männer, die ich zeige, ist nicht religiös, nicht politisch, nicht mal sadistisch. Sie gehört einfach zum Geschäft. Wenn das Geschäft es verlangt, jemanden zu töten, dann passiert das. Wenn das Geschäft verlangt, jemandem schreckliche Angst einzujagen, dann wird das getan. Aber ist da mehr Gewalt als unter den Drogenhändlern von Kolumbien, mehr Gewalt als in vietnamesischen Gangs? Nein, das finde ich nicht. Die Gewalt kommt überall aus der selben Energiequelle. Die Gewalt in dem Film findet ihren Höhepunkt in einem wahnsinnigen Zweikampf in einem Dampfbad, der wirkt wie der "Vater aller Kämpfe" - Mann gegen Mann. Wie haben Sie das inszeniert?Cronenberg: Der Dreh selbst hat nur zwei Tage gedauert, aber die Vorbereitungen waren sehr schwierig. Im Drehbuch stand ja nur, dass es einen Kampf gibt - ohne Details. Aber dann beginnt man mit einem Stuntkoordinator, und es kommen die Fragen: Wo haben die Männer kämpfen gelernt - beim Militär, im Gefängnis, beim Sport? All das bringt verschiedene Kampfstile mit sich. Viggo (Mortensen) hatte dann die Idee und sagte: "Ich muss das nackt machen, was soll ich da mit einem Handtuch." Und ich war froh über sein Angebot. In der Szene wäre es einfach lächerlich gewesen, wenn Viggos Charakter bei einem Kampf auf Leben und Tod darauf achten würde, dass ein Handtuch um den Hintern nicht verrutscht. Wurde beim Dreh niemand verletzt? Das sieht wirklich extrem gefährlich aus.Cronenberg: Viggo hat sich verletzt. Aber nicht durch das Messer, damit ging zum Glück alles gut. Er hat sich am Rücken, an der Schulter, an den Armen und Beinen verletzt, weil wir ihn nicht mit Schutzpolstern ausstaffieren konnten wie bei anderen Filmkämpfen. Er spielt das ja völlig nackt. Tätowierungen spielen in Ihrem Film eine große Rolle. Sind die Symbole und ihre Bedeutung ausgedacht, oder ist das authentisch?Cronenberg. Es gibt ein Buch und einen Dokumentarfilm über die Tätowierungen einer bestimmten russischen Mafiagruppe, deren Symbolik bis in die Zarenzeit zurückgeht. Die Tätowierungen sind das Familienzeichen dieser Gruppe. Ohne gehört man nicht dazu. Aber mit den Tattoos zeigt man ehrliche und ernsthafte Bindung. Das ist eine Bindung, eine Verpflichtung des Fleisches, die man nie loswerden kann. Der deutsche Schauspieler Armin Mueller-Stahl ist in Ihrem Film als grausamer und gleichwohl sympathischer russischer Patriarch zu sehen. Warum haben Sie ihn für die Rolle geholt?Cronenberg: Ich fand immer, dass er ein wundervoller Schauspieler ist und kenne seine Arbeit seit den Fassbinder-Filmen in den frühen 80er Jahren. Dann hat meine Schwester, eine Kostümbildnerin, mal mit ihm zusammen einen Film gemacht, und Armin hat ihr erzählt, wie sehr er meine Filme bewundert. So kamen wir dann zusammen. Armin war für diese spezielle Rolle absolut der richtige Mann.

David Cronenberg

US-Regisseur David Cronenberg

Vita David Cronenberg wurde am 15. März 1943 in Toronto, Ontario, geboren.

Filmografie 1983: "The Dead Zone", 1986: "Die Fliege", 1988: "Die Unzertrennlichen", 1991: "Naked Lunch", 1996: "Crash", 1999: "eXistenZ", 2002: "Spider", 2005: "A History of Violence".

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