Quentin Tarantino: „Ich werde nicht weicher“

Der US-Regisseur Quentin Tarantino über das Deutsche an seinem Film „Django Unchained“ und den Druck, den er braucht.

Los Angeles/Berlin. „Das ist eine verdammt schöne Überraschung. Ich liebe Überraschungen“, sagte der Regisseur und Autor Quention Tarantino, nachdem er für seinen Film „Django Unchained“ den Golden Globe für das beste Drehbuch erhalten hatte. Der 49-jährige Hüne ist der Hofnarr der Filmindustrie und gleichzeitig ihr Wunderkind.

Herr Tarantino, Christoph Waltz hat Sie in Los Angeles in den „Ring des Nibelungen“ mitgenommen. Heißt Ihre Heldin daher „Broomhilda“, also Brunhild?

Quentin Tarantino: Nein, sie hieß schon vorher so. Aber als ich da saß, war ich völlig baff: Denn meine Story war im Prinzip deckungsgleich mit der Sage. Mein Held macht auch das Unmögliche möglich, um seine Broomhilda zu retten.

Ihr Sklavenwestern hat viele deutsche Elemente. Ist das der Einfluss von Waltz, der darin einen Kopfgeldjäger spielt?

Tarantino: Wer weiß, ob ich Dr. King Schultz erfunden hätte, wenn ich Christoph nicht kennen würde. Eine bewusste Entscheidung war’s eigentlich nicht. Aber Christoph hat sich so stark in meiner künstlerischen DNA festgesetzt, dass mir seine Figur förmlich aus dem Stift geflossen ist. Für die Dreharbeiten zu „Inglorious Basterds“ habe ich sechs Monate in Deutschland gelebt. Ich habe einen Teil dieser Kultur in mir aufgesogen, habe Freunde hier und kenne mich aus.

Ihr Film behandelt ein historisches Thema, ist aber alles andere als ein Geschichtsfilm.

Tarantino: Ich wollte auch keinen zweiten „Schindlers Liste“ drehen, sondern ein fesselndes Abenteuer. Aber darin wollte ich die Historie verpacken, um die Grausamkeiten zu zeigen, die Amerikaner an schwarzen Sklaven begangen haben. Obwohl „Django Unchained“ einige krasse Gewaltszenen hat, war es in der Realität hundert Mal schlimmer, als ich es zeige. So einen Film hätte niemand durchgestanden.

Gehörte die Liebesgeschichte von Anfang an dazu?

Tarantino: Zuerst dachte ich nur an Rache. Django sollte verbrannte Erde hinterlassen, blutrünstig sein. Ideen müssen bei mir aber immer etwas reifen. Dann gibt es ein intellektuelles „Pling!“ — das ist dann der richtige Moment, um sie aus meinem Gedanken-Ofen zu holen. Mir wurde klar, dass Django nobler sein musste. Er musste Herz haben. Ich habe mir vorgestellt, wie höllisch es war, als Sklave auf der Plantage zu schuften. Wie extrem es ist, plötzlich frei zu sein, respektiert zu werden, sich Kleidung aussuchen zu können. Aber wenn dieser Mann dann freiwillig in die Welt der Sklaverei zurückkehrt, um die Frau, die er liebt, zu befreien, ist das die gute Geschichte!

Sie werden im März 50 Jahre alt. Sind Sie immer noch der junge Wilde des Filmgeschäfts?

Tarantino: Sie meinen, ob ich langsam den heißen Atem der jungen Film-Fohlen im Nacken fühle, die „Revolution“ schreien? So wie Oliver Stone sich gefühlt haben muss, als er meinen Atem in seinem Nacken spürte? (lacht schallend) Noch habe ich nicht das Gefühl, bald von jemandem überrollt zu werden. Von jemandem, der meine Filme alt aussehen lässt.

Noch sind Sie der Einzige, der mal die Grenzen überschreitet und Unerhörtes wagt.

Tarantino: Stimmt: Noch macht niemand das, was ich mache. Ich möchte, dass meine Filme weiterhin so wirken, als ob ein junger, frischer Künstler am Werk war. Ich werde nicht weicher und sentimentaler werden.

Fühlen Sie sich unter Druck, wenn Sie einen neuen Film drehen?

Tarantino: Ich bin immer unter Druck, aber das brauche ich auch. Ich will, dass Fans hohe Erwartungen an mich stellen. Ich hoffe, dass meine neuen Filme immer Events für sie sind. Ich möchte auf sie wirken wie Bob Dylan in den 60ern auf seine Fans. Oder Hemingway oder Dickens in ihrer Zeit.

Es gibt Gerüchte, dass Sie sich in näherer Zukunft zurückziehen wollen.

Tarantino: Ich denke, ich habe meine letzten zehn Jahre vor mir — jedenfalls als Filmemacher.

Und dann? Sie werden doch nicht Rentner?

Tarantino: In erster Linie bin ich ja Autor. Ich könnte Romane, Theaterstücke oder Filmbücher schreiben. Vielleicht führe ich auch wieder Regie — am Theater.

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