Oscar-Kandidat „Argo“: Das gibt’s doch nur im Film

In „Argo“ schildert Ben Affleck, wie die CIA 1980 US-Bürger als Filmteam getarnt aus dem Iran befreite. Ein heißer Oscar-Kandidat.

Düsseldorf. Teheran, 1979: Die Islamische Revolution ist vorbei, der Ajatollah zurück aus dem Exil — und vor der US-Botschaft protestieren iranische Islamisten gegen das Land, das dem Schah Exil gewährt.

Als die ersten Demonstranten es über den Zaun schaffen, greift in der Behörde Panik um sich. Akten werden geschreddert, Fluchtwege sondiert — doch der Absprung gelingt nur sechs Angestellten, die im Visa-Raum direkten Zugang zur Straße haben. Die anderen 66 werden zu Geiseln. 444 Tage lang.

Ihr Schicksal ist bei „Argo“ nur historische Kulisse — das Augenmerk liegt auf den sechs Deserteuren, die es in die kanadische Vertretung schaffen und im Privathaus des Botschafters darauf warten, das Land verlassen zu können.

Die Frage ist nur, wie. Regierung und CIA sind ratlos. Als Aufbauhelfer? Oder Englischlehrer? Immer wieder kommen sie bei den immergleichen Szenarien an — und immer wieder verwerfen sie sie als zu dürftig. Bis CIA-Experte Tony Mendez (Ben Affleck) im Fernsehen den fünften Teil der „Planet der Affen“-Reihe sieht. Plötzlich dämmert’s ihm: ein Filmteam. Aus Kanada. Auf der Suche nach Drehorten. Eine Idee — so verrückt, dass sie umsetzbar scheint.

Mit „Argo“ führt Ben Affleck nicht nur seine bislang makellose Bilanz als Regisseur („Gone Baby Gone“, The Town“) fort. Ihm gelingt sogar einer dieser raren Glücksfälle von Film, der eine wahre Geschichte mit bekanntem Ausgang zu einem nervenaufreibenden Thriller verdichtet und nebenher auch noch die Ruhe für satirische Seitenhiebe auf das System Hollywood hat.

Mendez heuert Maskenbildner John Chambers (John Goodman) an, der für seine Arbeit am „Planet der Affen“ mit einem Oscar geehrt wurde. Gemeinsam entwickeln sie eine tragfähige Tarnung und stolpern bei ihrer Recherche unter durchgefallenen Drehbüchern über die Science-Fiction-Posse „Argo“. Perfekt. „Star Wars“ ist gerade das große Ding. „Das kauft uns jeder ab“, sind sie überzeugt.

Fehlen nur noch die Strohmänner: Autor, Schauspieler, Produzent. „Und was ist mit einem Regisseur?“, fragt Mendez verdutzt, als Chambers zusammenpacken will. „Braucht keiner“, antwortet der lapidar. „Jedes Rhesusäffchen könnte das.“ Es hat durchaus Stil, wie Affleck hier seinen eigenen Ruf aufs Korn nimmt: Vor seinem Wechsel ins Regiefach galt er als talentfreier Schönling.

Nicht alles entspricht den Tatsachen. Um Hollywood als marodes System von Blendern und Scharlatanen spiegeln zu können, ohne der realen Heldenfigur Chambers am Zeug zu flicken, entwarf Drehbuchautor Chris Terrio den abgehalfterten Filmmogul Lester Siegel (Alan Arkin).

Dieser desillusionierte Systeminsasse nutzt die Befreiungsaktion, um seiner Branche genussvoll den Mittelfinger zu zeigen — eine weitere Oscar-Nominierung dürfte Arkin sicher sein.

Auch Affleck kann sich ernsthafte Hoffnungen machen. Seine geradlinige Inszenierung, die aus dem Coup vor Ort schließlich einen klassischen Ausbruchsthriller à la „Rififi“ oder „Topkapi“ macht, findet immer den richtigen Ton.

Wie er zwischen unterhaltendem Spannungskino und dokumentarischer Faktenschilderung wechselt, dabei manches hinzu erfindet, ohne die Originalgeschichte zu verwässern, ist schlicht grandios.

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