Moreau wird 85: Mit dem Fahrstuhl ganz nach oben

Paris (dpa) - Ob es die große Liebe gibt, braucht man Jeanne Moreau nicht zu fragen. Seit mehr als 60 Jahren besteht zwischen der französischen Schauspielerin und dem Kino eine bis heute ungebrochene Beziehung.

Ein Leben ohne die Schauspielerei kann sich Moreau nicht vorstellen. „Ich höre erst auf, wenn ich tot bin“, sagte Moreau in einem Interview. Das war vor etwas mehr als drei Jahren.

Seitdem hat Moreau, die an diesem Mittwoch (23. Januar) 85. Jahre alt wird, in mehreren Produktionen mitgespielt. Ihr jüngster Film „Eine Dame in Paris“ kommt voraussichtlich im April in die deutschen Kinos. Aus der Liebesgeschichte ist mittlerweile eine Lebensgeschichte geworden, wie sie selber sagt.

Moreau braucht das Kino - und das Kino sie. In ihren mehr als 150 Filmen hat sie mit allen großen Regisseuren der Welt zusammengearbeitet: angefangen von Theo Angelopoulos, Michelangelo Antonioni, Orson Welles bis hin zu Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und François Ozon. Sie war die Muse der Nouvelle Vague und drehte mit François Truffaut einer seiner besten Filme, „Jules und Jim“. Sie spielte in ihrer langen Karriere so ziemlich alles: Femme fatale, Königin, Lehrerin und Gangsterin.

Ihre Verwandlungsfähigkeit nannte Joseph Losey, einer ihrer vielen Regisseure, ein Wunder. „Sie ist eine Frau, die sich einer Unzahl von Hindernissen gegenüber sieht und sie überwindet, indem sie all ihre Fähigkeiten einsetzt.“ Der Amerikaner drehte 1962 mit ihr „Eva“. Es war eine ihrer gewagtesten Rollen. In dem Film spielt Moreau eine anspruchsvolle, verheiratete Prostituierte, der ein Schriftsteller sexuell verfällt. „Ich lebe in den Filmen, in denen ich spiele. Die Rollen bewohnen mich“, erklärte Moreau ihre steile Karriere.

Ihre schauspielerische Besessenheit würdigt auch Luis Buñuel in seinen Lebenserinnerungen „Mein letzter Seufzer“. Darin schwärmt er von ihrer unbändigen Neugierde und ihrer Lust, sich zu verausgaben. Die Schauspielerei sei für sie nicht Verstellung, sondern Erleben. „Ich brauchte ihr nur zu folgen, fast ohne sie zu korrigieren. Über die Figur der Kammerzofe habe ich von ihr Dinge erfahren, die ich nicht geahnt hatte.“ Das „Tagebuch einer Kammerzofe“ von 1964 ist eine bitterböse Satire auf Verlogenheit und Abgründe des Bürgertums.

Hindernisse haben die Schauspielerin mit den unverwechselbar nach unten gezogenen Mundwinkeln stets angestachelt. „Sie haben mich stark gemacht. Man muss die ganze Energie zusammen nehmen, Anlauf nehmen und rüberspringen“, sagte Moreau. Hindernisse seien etwas Wunderbares.

Als jüngste Schauspielerin der Geschichte wurde sie mit 20 Jahren in das renommierte Theaterhaus Comédie Française aufgenommen. In dem Theaterstück „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ entdeckte Louis Malle sie schließlich für den Film. Der Regisseur schlug ihr die Hauptrolle in „Fahrstuhl zum Schafott“ vor. Der Thriller mit Musik von Miles Davis, in dem sie die Geliebte des Mörders ihres Mannes spielt, wird für sie zum Kino-Karrierefahrstuhl nach ganz oben.

Ihr Repertoire ist weit gesteckt. Es verrät ihre Erlebnissucht, aber auch einen ihrer wichtigsten Charakterzüge: ihre Unabhängigkeit. Jeanne Moreau ist eine Frau, die sich nicht auf vorgeschriebenen Bahnen bewegen will. Bei der Auswahl ihrer Filme folgte sie ihrem Instinkt und keinem Karriereplan. „Ich lebe auf meine Weise“, bekannte Moreau. Auch privat. Sie habe viele Liebhaber gehabt, denn das Wichtigste sei es zu leben.

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