„Les Misérables“: Ein Lied für jedes neue Leid

Regisseur Tony Hooper spielt in „Les Misérables“ mit Stars auf der großen Gefühls-Klaviatur.

Los Angeles. Es ist eine Eingangssequenz von ungeheurer Wucht. Abgemagerte Sträflinge schleppen unter Aufbietung der letzten Kräfte ein großes Schiff ins Dock, unter ihnen Jean Valjean (kaum wiederzuerkennen: Hugh Jackman), der zwei Bissen Brot stahl und dafür 19 Jahre einsaß. Aufseher Javert (Russell Crowe) hat besondere Freude daran, Häftling 24601 noch einmal zu quälen, bevor er ihn auf freien Fuß setzt.

Es herrschen raue Sitten im Frankreich des frühen 19. Jahrhunderts. Und nur, weil es sich bei „Les Misérables“ um ein Musical handelt, haben immer alle einen Grund zum Singen. Der Bischof Myriel (Colm Wilkinson) gewährt Valjean Unterschlupf, wird aber um postwendend um sein Tafelsilber erleichtert. Als die Polizei ihm den Dieb übergibt, erteilt dieser dem Ex-Sträfling eine Lektion in Sachen Humanismus und nimmt den Langfinger in Schutz.

Jahre später ist Valjean ein erfolgreicher Arbeitgeber. Allerdings kann er nicht verhindern, dass die Arbeiterin Fantine (Anne Hathaway) aus der Fabrik gemobbt und zur Prostitution gezwungen wird. Als die junge Frau aus dem Leben scheidet, nimmt Valjean deren Tochter Cosette (als Erwachsene gespielt von Amanda Seyfried) an Kindes statt an. Unterdessen ist Javert zum Polizei-Inspektor aufgestiegen. Die Jagd nach Valjean, der gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen hat, ist für ihn zur Besessenheit geworden

Das Musical „Les Misérables“ von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg, basierend auf Victor Hugos Klassiker „Die Elenden“, trat 1980 seinen Siegeszug um die Welt an.

Mittlerweile haben es mehr als 60 Millionen Menschen in 43 Ländern gesehen. Nun bringt Regisseur Tom Hooper („The King´s Speech“) das Stück als musikalisches Gesamtkunstwerk auf die große Leinwand. Zweieinhalb Stunden lang wird wenig geredet und viel gesungen, geliebt, gekämpft und vor allem gelitten.

Leichte Kost ist das nicht. Wer das Musicaltheater als Ort unbeschwerter Unterhaltung sieht, wird hier ernste Probleme mit dem Sitzfleisch bekommen. Fans der Bühnenversion aber dürften ihre helle Freude haben Große Kulissen, gestandene Bühnenkünstler und Filmstars, die sich redlich mühen, gesanglich live vor der Kamera mitzuhalten (nicht immer mit Erfolg), dazu eine an Tragik kaum zu überbietende Geschichte — das ist ganz großes Kino und zu Recht für acht Oscars nominiert.

Und wenn Anne Hathaway ihr „I dreamed a dream“ anstimmt und dabei das ganze Leid dieser Welt auf ihren zarten Schultern trägt, schmilzt das Eis noch um das letzte kalte Herz.

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