Interview Kosslick verspricht eine „Glamour-Berlinale“

Berlin (dpa) - Drei deutsche Filme im Bären-Rennen und internationale Stars auf dem roten Teppich. Bei der 67. Berlinale (9. bis 19. Februar) werden rund 400 Filme gezeigt, darunter viele mit politischer Botschaft.

Interview: Kosslick verspricht eine „Glamour-Berlinale“
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Berlinale-Direktor Dieter Kosslick (68) rät im Interview der Deutschen Presse-Agentur: „Zwischendurch sollte man sich eine Komödie reinziehen, um dann wieder fit für die Herausforderungen der Welt zu sein.“

Frage: Welche Probleme brennen den internationalen Filmemachern unter den Nägeln?

Antwort: Viele Filmemacher machen sich Gedanken darüber, warum die Welt so aussieht, wie sie aussieht, indem sie in die Geschichte zurückblicken. Da ist zum Beispiel das epische Historiendrama „Viceroy’s House“ von Gurinder Chadha („Kick it like Beckham“) über die Unabhängigkeit Indiens von Großbritannien vor 70 Jahren und die damit verbundene Teilung des Landes. Oder Raoul Pecks „Der junge Karl Marx“ im Berlinale Special mit August Diehl in der Titelrolle. Im Bären-Wettbewerb haben wir außerdem mehrere lateinamerikanische Filme, die sich mit der Frage der Kolonialisierung beschäftigen und warum sich zum Beispiel auch in Afrika gar nicht so viel verändert hat - die Kolonialmächte von damals sind heute die Investoren.

Frage: Gibt es einen inhaltlichen roten Faden im Festivalprogramm?

Antwort: Das Festival hat in diesem Jahr auf jeden Fall den Schwerpunkt Europa. Es geht um die Geschichte Europas und die Kriege Europas. Im Blick auf das politisch einst in Ost und West geteilte Europa geht es auch um den Verlust der zwei großen Utopien. Die Menschen vertrauen dem Kapitalismus nicht - und dem Kommunismus sowieso schon lange nicht mehr. Man sucht nun nach Menschen, die Mut haben und nach vorne blicken und etwas verändern wollen. Das sind überwiegend Künstler, wie zum Beispiel Joseph Beuys, der im deutschen Wettbewerbsbeitrag „Beuys“ von Andres Veiel porträtiert wird. In „Final Portrait“ von Stanley Tucci ist es der Bildhauer Alberto Giacometti, den der großartige Geoffrey Rush spielt.

Frage: Im Eröffnungsfilm „Django“ geht es auch um einen Künstler: den französischen Jazzmusiker Django Reinhardt und seine Flucht aus dem von Deutschland besetzten Paris im Jahr 1943.

Antwort: Ja, all diese Porträts erzählen auch etwas über die Zeit, in der die Künstler lebten. Zu Django Reinhardts Zeit wurden Sinti von den Nazis verfolgt und schikaniert und im Konzentrationslager umgebracht. Und da sind wir dann wieder ganz in der Gegenwart, in der Sinti und Roma, aber auch Homosexuelle und andere Minderheiten in vielen Ländern immer noch verfolgt werden.

Frage: Wird es also dieses Mal eine eher nachdenkliche Berlinale und keine Glamour-Berlinale?

Antwort: Es wird wieder eine Glamour-Berlinale. Weil wir sehr viele Stars auf dem roten Teppich haben werden. Und es gibt auch wieder viel zu lachen. Zum Beispiel bei der Gesellschaftssatire „Wilde Maus“ vom österreichischen Kabarettisten Joseph Hader. Oder bei Sally Potters Komödie „The Party“, in der Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cillian Murphy, Kristin Scott Thomas und Timothy Spall mitspielen. Viel schwarzen Humor gibt es auch in „Pokot“, dem neuen Film der polnischen Altmeisterin Agnieszka Holland.

Frage: Aber im Programm finden sich auch sehr viele Filme mit sehr ernsten Themen...

Antwort: Der Punkt ist: Je lauter das Geschrei aus dem Oval Office in Washington ist, desto nachdenklicher sollten wir werden mit dem Echo auf das, was jetzt passiert. Das Geschrei verdeckt nur, dass in Wahrheit eine unglaublich restaurative Politik installiert wird - gegen Umweltschutz, gegen ethnische Minderheiten. Die Filme zeigen, in welcher Realität wir leben - sie zeigen aber auch, dass es Auswege gibt aus dieser Misere und dass man nicht alles hinnehmen muss, was passiert.

Frage: Sie spielen auf US-Präsident Donald Trump an. Auffällig ist, dass im diesjährigen Bären-Rennen mit „The Dinner“ von Oren Moverman nur eine US-Produktion ist.

Antwort: Das hat sich so ergeben. Das ist Zufall. Wir hatten noch den ein oder anderen amerikanischen Film im Visier: Martin Scorseses „Silence“ oder Denzel Washingtons „Fences“ zum Beispiel. Aber die Filme sind schon auf dem Markt, deshalb können wir sie nicht zeigen.

Frage: Deutschland ist gleich drei Mal im Bären-Rennen vertreten, so oft wie kein anderes Land. Was macht die Qualität der deutschen Filmemacher derzeit aus?

Antwort: Die drei deutschen Wettbewerbsfilme sind sehr unterschiedlich. „Beuys“ von Andres Veiel ist ein Dokumentarfilm über einen der größten deutschen Künstler. Thomas Arslan, Vertreter der Berliner Schule, hat mit „Helle Nächte“ einen Beziehungsfilm über einen Vater und seinen Sohn gedreht. Und Volker Schlöndorffs „Rückkehr nach Montauk“ widmet sich Max Frischs Roman „Montauk“, ein klassischer Schlöndorff, mit bekannten Schauspielern wie Nina Hoss und Stellan Skarsgard besetzt. Im Berlinale Special läuft außerdem Matti Geschonnecks Bestseller-Verfilmung „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. Da kann ich nur sagen: Glückwunsch! Volltreffer! Alle, die schon immer mal wissen wollten, wie es in der DDR war, sollten sich diesen Film ansehen. In der Special-Reihe ist auch die Romanverfilmung „Es war einmal in Deutschland...“ von Sam Garbarski zu sehen, mit einem großartigen Moritz Bleibtreu - auch ein Film über die deutsche Geschichte; jüdisches Leben im Nachkriegs-Frankfurt nach den Büchern von Michel Bergmann. Großartige Entdeckungen gibt es zudem in der Reihe Perspektive Deutsches Kino.

Frage: Wie sieht nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche das Sicherheitskonzept der Berlinale aus?

Antwort: Wir stehen in engem Kontakt mit den zuständigen Sicherheitsbehörden, um die Sicherheit der Festivalbesucher und Gäste zu gewährleisten. Wir freuen uns auf eine friedliche und weltoffene Berlinale die zeigt, dass Vielfalt schöner ist als Einfalt.

Frage: Haben Sie während der Berlinale eigentlich noch Zeit für Ihre Frau und ihren 12-jährigen Sohn - wohnt Ihre Familie mit Ihnen in der Hotelsuite mit Blick auf den roten Teppich am Potsdamer Platz?

Antwort: Während der Berlinale sehe ich meine Familie nicht. Man kann bei dieser Konzentration auf das Festival Privates und die Arbeit nicht vermischen. Man muss durch die Berlinale wie durch ein Theaterstück - und am Ende des dritten Aktes, am letzten Berlinale-Tag, gehe ich mit meinem Sohn essen und schaue mit ihm dann vom Hotelzimmer aus den roten Teppich an.

Frage: Ihr Tipp zum Durchhalten des elftägigen Festivals?

Antwort: Ausreichend schlafen - nicht weniger als sechs Stunden am besten. Im Prinzip bin ich sehr diszipliniert. Zigaretten und Alkohol sollte man meiden. Aber ich rauche sowieso nicht mehr.

Frage: Und welche Dinge sollte man sich vor der Berlinale als professioneller Filmegucker oder Kinofan unbedingt besorgen, was sollte man beachten?

Antwort: Zum Durchhalten schlage ich vor: Nicht jede Party mitnehmen. Außerdem: Gute Halspastillen. Und man sollte ab und zu etwas Richtiges essen, zum Beispiel beim Berlinale Street Food, denn Fastfood macht schlapp. Und: Zwischendurch sollte man sich eine Komödie reinziehen, um dann wieder fit für die Herausforderungen der Welt zu sein.

ZUR PERSON: Dieter Kosslick (68) ist seit dem Jahr 2001 Direktor der Internationalen Filmfestspiele Berlin. Bei der Berlinale werden jedes Jahr im Februar die Gewinner des Goldenen und der Silbernen Bären gekürt. Neben den Filmfestivals in Cannes und Venedig zählen die Berliner Filmfestspiele zu den „großen Drei“. Die Berlinale gilt als das politischste der Festivals. Kosslicks Markenzeichen auf dem roten Teppich sind sein Hut, sein jährlich wechselnder Berlinale-Schal und seine gute Laune, mit der er die Stars begrüßt. Der Vertrag des gebürtigen Pforzheimers als Berlinale-Chef läuft noch bis 2019.

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