Komödie: Darjeeling Limited - Auf dem Weg zur Erleuchtung

Regisseur Wes Anderson zeigt mit „Darjeeling Limited“ eine neue, witzige Spielart seines Lieblingsthemas Familienkonflikte.

Düsseldorf. Entschleunigung bringt Erleuchtung. Eine simple wie erkenntnisreiche Formel, der Wes Anderson mit "Darjeeling Limited" auf mehreren Ebenen folgt: Drei Brüder, die sich seit dem Tod des Vaters auseinandergelebt haben, schickt er mit dem Zug durch Indien. Eine Reise, die mit einem exakt organisierten und in Plastik verschweißten Tagesablauf beginnt und schon bald in planloses Umherirren in der Provinz, in Hantieren mit Giftschlangen und spirituellen Ritualen übergeht. Direkt zu Anfang lässt der Regisseur den langbeinigen Peter (Adrien Brody) in amerikanisch-weißen Socken hinter einem Zug mit der in bunten Lettern aufgemalten Aufschrift "Darjeeling Limited" hereilen - in Zeitlupe. Ein wunderschön inszenierter Gegensatz, der seiner skurrilen Komödie auf der Bildebene einen tiefsinnigen Ton gibt. Schnell geht hier gar nichts. Peter, der seine Frau nicht liebt, die allerdings ein Kind von ihm erwartet, lässt sich auf das Wagnis mit den Brüdern ein. Auf seiner Nase sitzt die Sonnenbrille des verstorbenen Vaters. Sehen kann er mit ihr nicht, doch sie ist ebenso ein Heiligtum wie der Gürtel, den Francis (Owen Wilson) geerbt hat. Dessen Kopf ist bandagiert, das Gesicht mit Verletzungen übersät. Ein Motorradunfall hat ihn zu dem Entschluss gebracht, dass er seine Familie zusammenbringen will. Erst auf dem Weg, im herrlich plüschigen Erste-Klasse-Abteil, offenbart der Kontrollfreak das Ziel dieser spirituellen Reise: Ein Besuch ihrer Mutter, die sich in die Gemeinschaft eines Gurus begeben hat. Die will ihre Sprösslinge nicht sehen, lässt ihnen ausrichten, dass der Zeitpunkt nicht passend sei.

Der Vorfilm "Hotel Chevalier" erzählt die Geschichte des dritten Bruders

Einig allein in der regelmäßigen Medikamenteneinnahme geht der dritte Bruder, Jack (Jason Schwartzman, der mit Wes Anderson und Roman Coppola das Drehbuch verfasst hat), seine eigenen Wege: An jeder Station hört er den Anrufbeantworter seiner aussichtslos Angebeteten ab, und überzeugt eine schöne Zugbegleiterin zu einer ebenso kurzen wie heftigen Annäherung. Der Vorfilm "Hotel Chevalier" erzählt seine Geschichte, zeigt die burschikos bestimmende Dame seines Herzens (Natalie Portman) in einem Pariser Luxushotel. Dazu spielt Peter Sarstedt "Where do you go to my lovely?". Es muss ja nicht alles einen Sinn ergeben. Wie schon in "Die Royal Tenenbaums" und "Die Tiefseetaucher" kreist Anderson um das Thema Familie mit all seinen kranken wie erhebenden Spielarten. Die wortlose Verständigung der Männer, wenn sie Kinder vor dem Ertrinken retten, weist über den Witz der drei gegensätzlichen Charaktere auf ihrem Weg durch eine fremde Welt hinaus. Peter schafft es nicht, den kleinen Jungen lebend aus den Fluten zu ziehen. Die traditionelle Beerdigung des Kindes zeigt Anderson in traumhaftem Weiß - und in Zeitlupe. Hier ist die Erleuchtung zum Greifen nah.
(WZ-Wertung: 4 von 5 Sternen)

Daten und Fakten

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort