Kinostart von Wall-E: Die Module spielen verrückt

Auch mit „Wall-E“, einem verknallten Reinigungsroboter, der versehentlich die Menschheit rettet, gelingt Pixar ein berührendes Meisterwerk.

Düsseldorf. 700 Jahre nach unserer Zeit ist nicht viel übrig von der Welt, wie wir sie kennen. Das meiste ist nur noch Schrott, bis zur Unkenntlichkeit korrodierter oder vermoderter Abfall, der die Erdoberfläche wie ein wild wucherndes Geschwür entstellt.

Irgendwo am Fuße eines dieser gigantischen Müllmassive geht Wall-E seinem Job nach. Er ist ein Reinigungsroboter, mit seinen abertausend baugleichen Kollegen einst von der letzten Menschenkolonie im All auf die Erde geschickt, um aufzuräumen, was die Weltbevölkerung im 21. Jahrhundert versäumt hatte zu verhindern.

Wall-Es Tätigkeitsbereich ist die Bucht, in der einst New York an New Jersey grenzte. Er ist fleißig, pünktlich, zielorientiert, eben all das, wofür er programmiert wurde. Allerdings hat die Evolution im Laufe der Jahrhunderte seinen Schaltkreis-Organismus verändert.

Der an den Kanten bereits ramponierte Android ist extrem neugierig, hat einen Sammeltick entwickelt und fühlt sich sehr einsam. Abends, wenn er von der Säuberungstour zurück in seinen Wohncontainer kommt, lässt er auf einem alten PAL-Fernseher mit leieriger Bildfunktion Barbra Streisand in "Hello Dolly" laufen, während er unversehrte Gegenstände, Glühbirnen, Jojos oder einen Rubikwürfel, die er aus den Abfallhaufen gezogen hat, in seine Fundstückgalerie einordnet. Souvenirs einer Zeit vor dem großen Gau.

Die Leere, die Wall-E verspürt, wird eines Tages so raumgreifend ausgefüllt, dass der kleine Roboter droht, vor Glückseligkeit zu bersten. Grund für die Euphorie ist die Ankunft von Eve, einer aerodynamisch wie filigran designten Späh-Androidin, die nach Belegen forschen soll, dass auf der Erde Leben wieder möglich ist.

Nicht wissend, dass er ihre Mission erst richtig in Gang bringt, als er ihr schüchtern einen Unkrautkeimling als Zeichen seiner Bewunderung überreicht, wird Wall-E mit seiner Angebeteten ins All geschossen.

Wieder gelingt Pixar das Kunststück, aus einer irrwitzigen Grundidee, in diesem Fall einem bis über beide Okulare verknallten Roboter, eine warmherzige, lebenskluge und tiefgründige Geschichte über die Grundbedürfnisse des Menschen zu entwerfen. Die Liebe treibt Wall-E dazu, über seine Elementarfunktion hinauszuwachsen.

Auf Axiom, dem Weltraum-Stützpunkt, auf dem die Nachfahren der Erdbevölkerung hausen, sucht er verzweifelt nach Eve, die ins Labor verfrachtet wurde. Dabei bringt er das zum Phlegma umfunktionierte Leben der letzten Menschen gehörig durcheinander.

Von Fast Food und Technologiewahn zur Bewegung unfähig, schweben sie auf komfortablen Wohnkissen durch die Gänge der Kolonie und unterhalten sich via Kommunikationsschirm mit ihren Freunden und Verwandten. Ihr einziger Lebensinhalt ist der Einkauf, angekurbelt durch die größte, weil einzige noch existierende Kaufhauskette, die gleichzeitig Sponsor der Raumstation ist.

Selbst diese Konsumkritik entgleitet Regisseur Andrew Stanton ("Findet Nemo") nie ins Offensichtliche. Wie auch die anderen Werke von Pixar sprüht "Wall-E" vor intelligenten Anspielungen, Reminiszenzen an die Filmhistorie, diesmal überwiegend an das Science-Fiction-Genre und einem oft beißenden, aber nie unterkühlten Subversivwitz.

Und das, obwohl kaum in der ersten Dreiviertelstunde des Films sogar überhaupt nicht gesprochen wird. Fast schon meditativ leitet Stanton seine Vision der Post-Apokalypse ein, zeigt immer wieder, wie klein und unbedeutend der Roboter zwischen den still ruhenden Abfallalpen verschwindet, wie er sich durch seine Fähigkeit zu lieben letztlich aber doch unsterblich macht. Zeit und Raum spielen da keine Rolle mehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort