Gefährten: Auf dem Rücken der Pferde

Steven Spielberg ist ein sattelfester Regisseur für das emotionale Kriegsepos „Gefährten“.

Es ist Liebe auf den ersten Blick, als der Junge das Fohlen zum ersten Mal sieht. Immer wieder zieht es ihn auf die Weide des Nachbarn zu dem heranwachsenden Tier. Später kann der 15-jährige Albert (Jeremy Irvine) sein Glück kaum fassen, als der Vater (Peter Mullan) bei der Auktion im Suff sein Lieblingspferd erstanden hat, von dem alle sagen, dass es für die Landwirtschaft nichts taugt.

Dem Jungen gelingt es, den eigensinnigen Joey zuzureiten. Aber um die väterliche Farm steht es schlecht, und wenn das Pferd den steinigen Boden nicht pflügen kann, sind seine Tage gezählt. Dann kommt der Erste Weltkrieg in das Dorf in den idyllischen Hügeln des Dartmoor. Joey muss als Ross eines Kavallerieoffiziers in den Krieg auf dem Kontinent, während Albert in den Schützengräben kämpft und lange vergeblich nach seinem Pferd sucht.

Mit „Gefährten“, der für sechs Oscars nominiert ist, bringt Steven Spielberg zwei Linien seines umfangreichen Schaffens zusammen. Der Film nach dem Jugendroman „Schicksalsgefährten“ von Michael Morpurgo von 1982 erzählt zum einen eine typische Spielberg-Geschichte von den tiefen Freundschaftsgefühlen eines jugendlichen Helden und folgt zum anderen der Obsession, die den großen US-Filmemacher seit „Der Soldat James Ryan“ mit dem Thema Krieg verbindet. Hier begegnen sich die Erzähltraditionen von Tierfilmen wie „Lassie“ und „Black Beauty“ und die Bilder des klassischen Antikriegsfilmes wie „Im Westen nichts Neues“.

Bald fällt Joey in die Hände der Deutschen, später findet er Unterschlupf bei einem Großvater und seiner elternlosen Enkelin. Die leben auf einem Bilderbuch-Bauerhof mit Windmühle — manchmal ist der Film so süßlich wie die Marmelade, die der herzensgute Großvater in seinen Regalen hortet.

Dabei wird das Pferd, das zwischen die Fronten des Krieges gerät, zum erzählerischen Leitfaden. Plastisch stellt „Gefährten“ mit der innigen Beziehung zwischen Albert und seinem Pferd das Liebesvermögen des Menschen dessen barbarischem Verhalten im Krieg gegenüber.

Spielberg zeigt deutlich die Schrecken des Krieges: Junge Deutsche, die desertieren, werden als Fahnenflüchtige erschossen. David Kross („Der Vorleser“), Leonard Carow und Maximilian Brückner vermitteln überzeugend die nackte Angst vor dem Tod in der Schlacht und sind alles anders als Klischee-„Krauts“ in Uniform. Im Krieg sind alle Opfer, Mensch und Tier — so das Fazit des fast zweieinhalbstündigen Dramas.

Zwischen den Schützengräben verheddert sich der wackere Wallach Joey schließlich im Stacheldraht — und wird von einem Engländer und einem Deutschen in wundersamer Eintracht befreit.

Spielberg beweist hier einmal mehr, dass er keine Angst vor großem Gefühlskino hat. Und er überschreitet hemmungslos die Grenze zum Kitsch, wenn er Pferd und Reiter in einem Sonnenuntergang nach Hause schickt, der seit „Vom Winde verweht“ nicht mehr so rot auf der Leinwand glühte.

Der Film ist ab 12 Jahren freigegeben — eine Empfehlung, an die man sich angesichts der intensiven Kriegsszenen unbedingt halten sollte.

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