Filmfestival in Cannes: Ben Stiller als Kätzchen

Cannes (dpa) - Der Himmel verdüsterte sich, ein heftiger Regen prasselte auf den Prachtboulevard Croisette in Cannes nieder und kühlte die vorher noch sommerlich warme Luft deutlich ab.

Vorbei mit Sonnenschein und nur unbeschwertem Vergnügen - auch in den Kinosälen der Internationalen Filmfestspiele. Stattdessen dominierten am Freitag bedrückende Realitätsbeobachtungen den Wettbewerb, allen voran der Österreicher Ulrich Seidl mit seinem „Paradies: Liebe“ über Sextourismus in Kenia. Doch Cannes wäre nicht Cannes, wenn es sich nicht auch weiter amüsieren und feiern würde. Und so schauten dann noch die Hollywoodstars Ben Stiller, Jada Pinkett Smith und Chris Rock vorbei, um ihr Animationsabenteuer „Madagascar 3“ vorzustellen.

Ben Stiller, der in dem Film den Löwen spricht, zögerte erst, versuchte auf der Pressekonferenz dann aber doch, wie ein Löwe zu brüllen: „Roar“, kam es aus ihm heraus - nicht wirklich laut, so dass Stiller eher wie ein kleines Kätzchen klang. Sehr zur Freude seiner Co-Stars wie Chris Rock, Jada Pinkett Smith und David Schwimmer, die wie er den Tieren im Film ihre Stimmen leihen und sich bei der Vorstellung des Werks bestens amüsierten. „Ich hab's gemacht, weil es Spaß macht und Geld bringt“, fasste Rock zusammen.

Tatsächlich war „Madagascar 3“ ganz unterhaltsam und kurzweilig: Die Helden wie der Löwe, die Giraffe und das Zebra wollen endlich wieder in ihre Heimat New York zurück, wo sie einst im Zoo waren. Doch dabei geht so ziemlich alles schief: Sie zerstören in Monaco das Casino, werden von einer fiesen Tierjägerin verfolgt und bei dem Zirkus, dem sie sich anschließen, klappt auch kaum etwas.

Viel ernsteren Themen widmete sich dagegen der Wettbewerb. Der Italiener Matteo Garrone, der 2008 mit seinem Mafiafilm „Gomorrha“ in Cannes den Großen Preis der Jury gewann, zeigte in „Reality“ eine Satire auf den Wahn um Reality-TV-Formate wie „Big Brother“. Ulrich Seidl hingegen prangerte in seinem „Paradies: Liebe“ Sextourismus an. Im Mittelpunkt steht Teresa. Sie ist um die 50 und alleinerziehende Mutter einer pubertierenden Tochter. Ein Urlaub in Kenia soll Abwechslung bringen, Zuneigung, Liebe. Schließlich findet dort jede Frau ihren Liebhaber, wie Teresas Freundin aus eigener Erfahrung berichtet.

Getragen wird der Film vor allem durch Margarethe Tiesel, die die Teresa mit umwerfender Authentizität spielt. Sie kichert und lacht, als die Männer sie ansprechen, unternimmt vorsichtig erste Annäherungsversuche und wird mit der Zeit immer fordernder. Teresas Wünsche und Sehnsüchte, aber auch ihre Enttäuschungen wirken durch Tiesels Spiel so realistisch, dass „Paradies: Liebe“ teilweise wie eine Dokumentation erscheint.

Seidl prangert aber nicht nur die Ausbeutung der Männer an. Er zeigt auch, wie die jungen Liebhaber die weißen Frauen finanziell ausnutzen. So entsteht ein bitter-böse beobachteter Film, der jedoch auch äußerst humorvoll erzählt ist.

Am Donnerstag war Fatih Akins Dokumentation „Müll im Garten Eden“ als erster deutscher Beitrag des Festivals gezeigt worden. Der Regisseur filmte rund fünf Jahre lang den Protest eines türkischen Dorfes gegen eine Mülldeponie und zeigt, mit welchen Folgen die Menschen zu leben haben: stinkende Müllberge quasi vor der Haustür, schwarze Brühe, die aus kaputten Rohren in den Boden sickert, desinteressierte Politiker. „Müll im Garten Eden“ beobachtet das alles jedoch nur und ordnet nichts ein, weswegen beim Zuschauer am Ende mehr Fragen offen bleiben als beantwortet werden.

Das neue Werk von Jacques Audiard überzeugte mehr. Nach dem Gefängnisdrama „Ein Prophet“ erzählt der Franzose wieder von gesellschaftlichen Außenseitern: In „Rust and Bone“ verliert Stephanie (Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard) bei einem Unfall beide Unterbeine und findet erst mit Hilfe von Ali zurück ins Leben. Audiard konzentriert sich dabei auf die Liebesgeschichte der eigentlich sehr ungleichen Charaktere. Vor allem aber Matthias Schoenaerts blieb in Erinnerung, verkörperte er Ali doch gekonnt als etwas raubeinigen, verlorenen Mann, der zugleich sehr sensibel und verletzlich ist. Der Belgier gilt damit als erster aussichtsreicher Kandidat für einen Preis als bester männlicher Darsteller.

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