Filmfest Venedig: Madonna brav, Polanski fehlt

Venedig (dpa) - Größenwahn oder Realismus? Das ist bei Madonna manchmal schwer zu sagen. So wie zum Beispiel am Donnerstag beim Internationalen Filmfest Venedig.

Dort stellte die Popdiva ihren zweiten Film als Regisseurin vor - über den englischen König Edward VIII., der in den 1930ern aus Liebe zur geschiedenen Wallis Simpson auf den Thron verzichtete. „Ob ich auf den Thron verzichten würde aus Liebe zu einem Mann oder einer Frau?“, wiederholte die perfekt gestylte 53-Jährige die Frage eines Journalisten. „Ich denke, ich könnte beides haben - oder alle drei!“ Ein anderer Regisseur musste sich den Fragen dagegen gar nicht erst stellen, er blieb dem Festival fern: Roman Polanski.

Madonna, die sich mit einem Kreuz an der Halskette recht brav gab, recherchierte mehrere Jahre lang für den Film und fühlt mittlerweile eine Verbindung zu der Hauptfigur Wallis. „Ich identifiziere mich mit ihr“, so Madonna. Immerhin sei auch sie als öffentliche Person auf ein Merkmal reduziert und schnell abgestempelt. „Man gibt dir ein Attribut und du darfst nicht mehr sein als das.“

Offensichtlich versucht die Sängerin nun auch, mehr als nur Musikerin zu sein. „W.E“ ist ihre zweite Arbeit als Regisseurin und läuft bei dem ältesten Filmfest der Welt außer Konkurrenz. Das Drama um das Finden der großen Liebe und den Kampf dafür hat durchaus seine Momente, vor allem witzige, in denen Madonna Unerwartetes zeigt. Über weite Strecken ist „W.E“ jedoch ein langatmig erzähltes Stück, das mehr sein will als es ist. Denn der Popstar verknüpft die historische Geschichte mit einer aus der Gegenwart, wo eine Frau namens Wally ebenfalls lernen muss, zu ihren Gefühlen zu stehen. Leider wirkt das arg konstruiert, und auch die Charaktere entwickeln sich kaum.

Ganz anders dagegen bei Polanski. Der 78-Jährige kam zwar nicht in die Lagunenstadt, schickte mit „Carnage“ aber ein solide inszeniertes, äußerst unterhaltsames Kammerspiel mit pointierten Dialogen ins Rennen um den Goldenen Löwen. Die französisch-deutsch-polnisch-spanische Produktion basiert auf dem bereits sehr erfolgreichen Theaterstück „Der Gott des Gemetzels“ der Französin Yasmina Reza.

Zwei Paare - gespielt von Kate Winslet, Christoph Waltz, Jodie Foster und John C. Reilly - treffen sich darin, um einen Streit ihrer Söhne beizulegen. Doch was als friedliches Treffen in einer der Wohnungen beginnt, eskaliert zunehmend. Ein bitterböses Wortgefecht entbrennt, bei dem sich die Paare schon bald offen angreifen, auch untereinander.

„Der Gott des Gemetzels“ ist der erste Film, den der polnisch-französische Oscarpreisträger Polanski nach seinem Hausarrest in der Schweiz gedreht hat. Er zeigt Oscarpreisträger Christoph Waltz nach dessen Paraderolle in „Inglourious Basterds“ als einen arroganten Anwalt, der für einen Pharmakonzern einen Skandal vertuschen soll und dafür ständig mit seinem Handy telefoniert. An seiner Seite: Kate Winslet als seine Ehefrau, deren kontrolliert-freundliche Fassade aufbricht und eine rücksichtslose Ehrlichkeit offenbart - ein Spagat, den die 35-Jährige bravourös meistert. Das lässt auch schon auf die nächsten Festivaltage hoffen, denn bereits am Samstag ist Winslet wieder zu sehen: in Steven Soderberghs Drama „Contagion“ mit Matt Damon.

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