Filmfestival : Fern von Sensationsgier: Ein starker Jahrgang in Locarno
Locarno (dpa) - Die zweite Halbzeit des 71. Internationalen Filmfestivals Locarno begann mit einem Paukenschlag: Im Wettbewerb lief die französische Dokumentation „M“ der Regisseurin Yolande Zauberman.
Der Film blickt auf einen kleinen Teil der Welt ultraorthodoxer Juden in Israel. Im Zentrum steht der Sänger und Schauspieler Menahem Lang. Der heutige Enddreißiger wurde vor Jahren bekannt, als er öffentlich gemacht hat, dass er als Kind mehrfach von Männern aus der Gemeinschaft sexuell missbraucht wurde.
Der Film ist typisch für diesen Locarno-Jahrgang, den letzten in der Verantwortung des künstlerischen Leiters und künftigen Berlinale-Chefs Carlo Chatrian. Es wird behutsam erzählt, ohne Wertungen, fern von Sensationsgier. Die Konfrontation mit persönlichen Schicksalen weitet den Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen. Yolande Zauberman ist es gelungen, Männer mit Schicksalen wie Menahem Lang, und auch solche, die andere gepeinigt haben, zum Reden zu bringen. Dabei wird deutlich, welche Lebensumstände dazu beitragen können, dass auch in einer nach Harmonie strebenden Gemeinschaft Schreckliches passiert.
Neben „M“, dem einzigen Dokumentarfilm im Hauptwettbewerb, wird „Sibel“ (Regie: Çagla Zencirci und Guillaume Giovanetti) die größte Chance auf eine wichtige Auszeichnung eingeräumt. Das als französisch-deutsch-luxemburgisch-türkische Gemeinschaftsproduktion realisierte Drama beleuchtet das Schicksal einer um ihre Würde kämpfenden jungen Frau in der türkischen Provinz. Der Film fesselt mit einer spannenden Story, stilistisch und schauspielerisch.