Eine neue „Reifeprüfung“

Der US-Überraschungshit „Juno“, eine lakonische Komödie übers Erwachsenwerden, startet morgen in den deutschen Kinos.

Düsseldorf. "Was ist eigentlich los mit Euch?", bellte Oscar-Moderator Jon Stewart bei der diesjährigen Verleihung die versammelte Hollywood-Elite an. "Psychopathische Massenmörder, skrupellose Geschäftsleute, profitorientierte Prediger", bohrte er weiter, in Anspielung auf nominierte Ernüchterungskost wie "No Country for Old Men", "There Will Be Blood" oder "Michael Clayton", und fragte naiv: "Braucht Ihr alle nur mal wieder eine ordentliche Umarmung?"

Ganz so aussichtslos schien die Situation dann aber doch nicht: "Gott sei Dank gibt es immer noch Filme über Teenager-Schwangerschaften", jubilierte Stewart und meinte den Überraschungshit "Juno", zu diesem Zeitpunkt noch vierfach im Rennen, darunter auch als bester Film. Nur wollte sich der verschrobene Überraschungshit von Regisseur Jason Reitman nicht in die geballt thematisierte Aussichtslosigkeit seiner Mitnominierten einreihen.

Denn trotz des schweren Themas handelt es sich um eine Komödie, die in den USA mit einem Gesamteinspiel von 143 Millionen Dollar bei nur acht Millionen Produktionskosten zum profitabelsten Film des gesamten vergangenen Jahres wurde.

Woher dieser überwältigende Erfolg kommt, ist einfach zu erklären: "Juno" trifft einen Nerv, setzt sich über das ermüdende Sendungsbewusstsein des jüngsten Hollywood-Kinos hinweg und erzählt eine kompakte Geschichte über das Erwachsenwerden, scheinbar ohne politischen Anspruch, aber doch auf den Punkt. Protagonistin Juno MacGuff wird schon jetzt in einem Atemzug mit Pubertätshaderern wie Holden Caulfield aus Salingers "Fänger im Roggen" und Benjamin Braddock aus Mike Nichols’ "Reifeprüfung" genannt. Ihnen allen gemein ist die Beiläufigkeit ihres Reifeprozesses, hervorgerufen durch dessen konsequente Verweigerung.

Denn Mutter will Juno (Ellen Page) mit ihren gerade mal 16Jahren noch nicht werden. Schwanger ist sie trotzdem, von Bleeker (Michael Cera), ihrem besten Freund, mit dem sie aus purer Langeweile geschlafen hat, wie sie Klassenkameradin Leah (Olivia Thirlby) gegenüber behauptet. In Wirklichkeit mag sie den orientierungslosen Schlacks mehr, als sie sich eingestehen will.

Doch vor dieser Erkenntnis steht der Aufschub des Heranwachsens. Verantwortungslos will Juno deswegen nicht sein. Sie beschließt, das Kind zur Adoption freizugeben. Wunscheltern ihrerseits: das Yuppie-Pärchen Vanessa und Mark Loring (Jennifer Garner und Jason Bateman). Sie ist ein verbissenes Karriereweib im Designer-Kostüm, das sich als Frau nur vollkommen fühlt, wenn sie neben dem Beruf auch ein Kind hütet.

Er wiederum ist ein in der Vorstadt gestrandeter Ex-Grunge-Musiker, der seinen Lebensunterhalt mit dem Komponieren von Werbejingles verdient, dem Traum vom Tourleben aber immer noch ein bisschen hinterher hängt. Juno freundet sich mit Mark an - und muss feststellen, dass es, um cool zu sein, etwas mehr bedarf, als sich mit Sonic Youth und italienischen Horrorklassikern auszukennen.

Es ist ein wunderbar zurückhaltend erzählter Film, der seinen Plot kunstvoll um sämtliche Klischees manövriert, die sich scheinbar bieten. Abtreibung ist für Juno kein Thema, obwohl es sich, zumindest als bloße Überlegung, anbieten würde. Und auch das Verhältnis zum 20 Jahre älteren Mark entwickelt sich nicht zur billigen Schwärmerei, sondern gibt der 16-Jährigen endlich die Möglichkeit, ihre altklugen Zynismen gegen jemanden zu schießen, der sich auch mal zur Wehr setzt.

Preise: Seit November vergangenen Jahres legte "Juno" einen wahren Siegeszug hin und heimste insgesamt 37 namhafte Filmpreise ein, darunter den Oscar für das beste Drehbuch.

Autorin: Diablo Cody begann ihre Karriere als Bloggerin und Striptease-Tänzerin. Das Skript zu "Juno" ist angelehnt an die Geschichte einer Klassenkameradin.

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