Die Eiserne Lady: Die Milchmädchen-Rechnung

Die Rolle als „Die Eiserne Lady“ brachte Meryl Streep den dritten Oscar. Der Film hat diese Ehre nicht verdient.

Auf den Penny genau kennt sie den Milchpreis. Nein, Margaret Thatcher steht mit beiden Beinen fest im Leben, da ist sie sich sicher. Auch wenn sie bald als erste Regierungschefin dem britischen Parlament vorstehen wird. Auch wenn ihr Mann Denis ihr vorwirft, dass sie die Familie vernachlässige.

Der Milchpreis ist für Filmemacherin Phyllida Lloyd („Mamma Mia!“) ein Bild dafür, wie sich die Welt der „Eisernen Lady“ über die Jahrzehnte hinweg verändert hat. Hatte sie 1979 Lebenshaltungskosten, Gatten, Zwillinge und ein ganzes Land fest im Blick, verliert sie 2003, kurz nach dem Tod ihres Mannes, zunehmend die Übersicht.

Gleich zu Anfang zeigt Lloyd, wie eine alte Frau mit zittrigen Händen das Geld aus ihrem Portemonnaie fummelt, um Milch im Laden an der Ecke zu bezahlen. Es ist Margaret Thatcher (Meryl Streep), die als Politikerin Geschichte geschrieben hat. Und es ist eine demente Witwe, die sich mit ihrem Mann (Jim Broadbent) noch immer über das Frühstücksei unterhält und die hohen Milchpreise beklagt.

In der Erinnerung springt Thatcher zurück zu Stationen ihres Lebens, folgt noch einmal ihrem Aufstieg aus einfachen Verhältnissen zur ersten Frau im Land, lässt noch einmal ihr Temperament, ihre Durchsetzungskraft und Stärke aufscheinen.

Und genau diese mitleidheischende Perspektive langweilt beim Zuschauen schon nach einer halben Stunde. Das ständige Springen zwischen Heute und Gestern wirkt wie das flüchtige Durchblättern einer bildreichen Biografie. Archivdokumente sollen den gespielten Szenen eine höhere Authentizität verleihen, sorgen aber nur für störende Brüche. Schaut sich diese verlorene alte Dame einen Film an, der sie jung und mit Zwillingen und Mann im Urlaub am Strand zeigt, bleibt das Gefühl so oberflächlich wie in einem Reisekatalog.

Intensiv wird hier gar nichts: weder ihr Einzug ins Parlament noch ihre persönlichen Beziehungen und auch nicht ihre umstrittenen politischen Entscheidungen. Lloyd verherrlicht Margaret als Kämpferin in einer Männerwelt, die sich dank ihrer Überzeugungen durchzusetzen wusste.

Kein Anflug von kritischer Betrachtung. Richtig ärgerlich wird das, wenn es um den Falkland-Krieg geht. Allein übernimmt die Premierministerin die Verantwortung für die folgenreiche Entscheidung. Von Mutter zu Mutter schreibt Thatcher an die Angehörigen verstorbener Soldaten und bekundet ihr Mitleid. Wenig später beweisen die Wahlerfolge, dass Thatchers Linie der richtige Weg war.

Zwischentöne trifft die Regisseurin nicht. Das ist wirklich schade, denn Streep verkörpert die „Eiserne Lady“ nicht nur wegen der aufwändigen Maske souverän. Für verschiedene Facetten eines fraglos sehr interessanten Lebenslaufes wäre bei ihr noch Spielraum gewesen. Auch komisch hätte es werden können, wenn sie etwa ihre Thatcher anfangs eher quietschen als sprechen lässt, wenn sie versucht, die Männer im Parlament mit Prediger-Sprüchen ihres Vaters in Schach zu halten.

Warum diese Frau dennoch den Durchmarsch in diesem System geschafft hat, dafür fehlt diesem Film das richtige Drehbuch. Den Oscar hat er nicht verdient, doch dieser außergewöhnlichen Schauspielerin gönnt man ihn von Herzen.

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