Der deutsche Film ohne „Tycoon“ Eichinger

Berlin (dpa) - Berlinale-Chef Dieter Kosslick erinnert sich noch gut daran, wie er einmal aus Versehen auf dem Platz von Bernd Eichinger gesessen hat. Und das in jenem Münchner Restaurant, das Vorbild für die Filmsatire „Rossini“ war.

Kosslick wurde nicht verscheucht, sondern bekam von Eichinger eine Flasche Champagner spendiert.

So war er, „der Bernd“: Ein Lebemann und ein bisschen so, wie Lieschen Müller sich die Filmwelt vorstellt. „Ein Tycoon“, sagt Kosslick. Eichinger hat die Branche geprägt wie kein Zweiter. Am Montagabend verließ er die Szene, die sein Leben war, in einem filmreifen Abgang: Herzinfarkt bei einem Essen mit Freunden und Verwandten, 61 Jahre. Ob jemand seinen Platz einnehmen kann, scheint fraglich. Wer habe schon so viele Filme gemacht wie Eichinger, fragt sich nicht nur Kosslick. „Da müssen wir jetzt erstmal warten, wer in diese Lücke hineinwächst.“

Und die Deutsche Filmakademie in Berlin, die den renommierten Filmpreis vergibt, schrieb in ihrem Nachruf: „Bernd Eichinger wird dem deutschen Film fehlen. Er wird vor allem dem Kino fehlen. Wie sehr, das ist im Moment der tiefen Trauer noch gar nicht zu fassen.“

Denn immer wieder hat der umtriebige und kreative Produzent dem deutschen Film neue Impulse gegeben. In den siebziger Jahren, als die Branche hierzulande fast darniederlag, wurde er mit der Gründung seiner Münchner Firma Solaris Film zu einem Motor für das deutsche Autoren-Kino: Er arbeitete mit Regisseuren wie Wim Wenders, Edgar Reitz und Hans W. Geißendörfer zusammen.

Mit der Verfilmung der erschütternden Biografie „Christiane F. - Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ in seiner Neuen Constantin Film GmbH bewies er 1981 dann zum ersten Mal, wie sensible Stoffe auch für ein ganz großes Publikum aufbereitet werden können: Mit 4,7 Millionen Zuschauern war die Geschichte aus der Berliner Drogenszene der bis dahin erfolgreichste Film der deutschen Nachkriegszeit.

Eichingers Gespür für den Publikumsgeschmack trug ihm später oft genug Kritik und Häme ein - etwa bei „Ballermann 6“, „Werner - Beinhart!“ oder zuletzt dem Bushido-Film „Zeiten ändern dich“. Mit Filmen wie „Der Name der Rose“, „Der Untergang“ oder „Das Parfum“ hat er dagegen gezeigt, wie Filme aus deutscher Hand Welterfolge werden.

„Er hat die Doppelrolle des Kinos als Wirtschafts- und Kulturgut zur Grundlage seiner Arbeit gemacht“, sagte Produzenten-Kollegin Regina Ziegler der Nachrichtenagentur dpa. „Er hat nie klein gedacht. Einen wie ihn haben wir nicht mehr in Deutschland.“ Und auch der Produzentenverband befürchtet, dass die Lücke auf Jahre nicht zu schließen sein wird.

Eichingers Hollywood-Kollege Wolfgang Petersen („Das Boot“) sieht niemanden, der in dessen Fußstapfen treten könnte. „Im Moment wüsste ich das nicht, vielleicht wird es jemanden wie ihn nie wieder geben. So wie es nie wieder einen Franz Beckenbauer oder einen Günter Netzer geben wird. Sie waren alle einzigartig.“

„Bernd ist nicht ersetzbar“, sagt auch die Schauspielerin Iris Berben, Präsidentin der Filmakademie, „aber natürlich wird es andere geben mit anderen Qualitäten.“ Namen will sie keine nennen, verweist aber darauf, dass Eichinger sich immer auch um den Nachwuchs verdient gemacht habe.

So hinterlässt er Ziehsöhne. Zur Riege der kommerziell erfolgreichen jungen Produzenten gehört Christian Becker (Rat Pack, München). Für ihn war Eichinger „eine Art Übervater“. „Er war der Inbegriff des ultimativen Filmproduzenten“, sagt der 38-Jährige („Wickie“, „Vorstadtkrokodile“). Eichinger sei für die junge Generation immer ansprechbar gewesen.

Til Schweiger, der in der Constantin-Produktion „Der bewegte Mann“ seinen Durchbruch hatte, wurde bei der Premiere seines neuen Films „Kokowääh“ von der Nachricht überrascht. Er sei „unendlich traurig“, so Schweiger. Es gebe keinen vom Schlage Eichingers. „Er hinterlässt eine Riesenlücke.“

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