,,Der Baader Meinhof Komplex" - Chronik des Verbrechens

„Der Baader Meinhof Komplex“ findet keine eigene Sichtweise auf den Terror. Mit seiner Starbesetzung liefert der Film nun doch Bilder zum Mythos.

Düsseldorf. Die erste Szene erschlägt mit Banalität. Seit Wochen schürt eine gewaltige PR-Maschinerie höchste Erwartungen. Das Oscar-Rennen läuft bereits für das Kino-Ereignis "Der Baader Meinhof Komplex". Und dann das: Am Strand von Sylt spielen zwei Nackedeis, Janis Joplin beschwört aus dem Off den Herrn, auf dass er ihr einen Mercedes kaufen möge. Im Strandkorb liest Ulrike Meinhof Illustrierte, blickt auf und ruft: "Kommt her, ihr Mäuse."

Zwillinge und Ehemann traben an. Mit eifersüchtigen Blicken verfolgt die Journalistin den Wortwechsel zwischen einer nackten Blondine und dem Gatten. Ein Stichwort zum bevorstehenden Schah-Besuch in Berlin kündigt es an: Wir sind in den 60ern, und mit der bürgerlichen Idylle ist es bald vorbei.

Warum der Film gerade am Anfang nicht der Buchvorlage von Stefan Aust folgt und stattdessen diese klischee-triefende Einführung gibt, wissen wohl nur die Macher. Denn in den folgenden 150 Minuten verlassen sich Regisseur Uli Edel und Produzent Bernd Eichinger auf die vom ehemaligen "Spiegel"-Chef recherchierten Ereignisse und reihen sie wie eine Chronik aneinander. Es geht los mit dem tödlichen Schuss auf Benno Ohnesorg 1967 und endet mit dem Mord an Hanns Martin Schleyer 1977.

Aust, der auch am Drehbuch beteiligt war, startet in seinem Standardwerk von 1985 mit dem Selbstmord der Terroristen in Stammheim. Ein Kunstgriff. Und genau das fehlt dieser Leinwandadaption: Statt eine Geschichte zu erzählen, Motive zu verdichten oder einen neuen Blickwinkel aus der Perspektive der Opfer heraus zu wählen, bietet der Film weitere Bilder zum Mythos RAF.

Neu sind sie nicht, denn die Ähnlichkeit zwischen Darstellern und Szenerie mit dem Archivmaterial ist verblüffend. So fällt der Wechsel zwischen Spielszene und Originalbildern wie etwa bei einer Rede Dutschkes nur bei genauem Hinsehen auf. Darsteller Sebastian Blomberg liefert keine Interpretation, sondern imitiert die historische Figur bis in die Fingerspitzen.

"Ihr habt die Leute nie gesehen. Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nie waren." Diese Mahnung stammt von Brigitte Mohnhaupt an die RAF-Terroristen der zweiten und dritten Generation. Aber sie richtet sich auch an die, die Baader, Meinhof und Ensslin gerade mal als Kindheitserinnerung in Fahndungsbildgröße im Kopf haben. Diesen Menschen wollten die Filmemacher angeblich erzählen, wie es zu den Bombenanschlägen und Morden kam, wie politisch engagierte junge Leute zu Terroristen wurden.

Doch das gelingt nicht. Die Starbesetzung führt dazu, dass man statt Ulrike Meinhof eher Martina Gedeck sieht und Gesten aus anderen Rollen erkennt. Moritz Bleibtreu zeigt Andreas Baader, wie man ihn sich denkt bei diesem Darsteller: als coolen Draufgänger, der beim Bombenbauen gerne mal eine Ladung mehr drauflegt und sich im Kugelhagel noch eine Kippe ansteckt.

Gudrun Ensslin nennt ihn "Baby", was im Kontrast zu ihrem knallharten Auftreten steht. Johanna Wokalek spielt diese Frau mit gepresster Stimme, immer kurz vorm Ausrasten und doch kühl und beherrscht in ihrer tödlichen Mission. Ihre Rolle deutet an, was der Film hätte bieten können. Doch wenn Bruno Ganz als BKA-Präsident mit Heino Ferch an seiner Seite erscheint, tritt man aus dem Geschehen heraus und denkt an den Führerbunker im "Untergang". Diesen Film hat das RAF-Buch nicht gebraucht.

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