Der Abend der Austro-Oscars

Düsseldorf. Bei der 85. Oscar-Verleihung am Sonntagabend in Los Angeles jubelten Ben Affleck und Ang Lee. Der Moderator Seth MacFarlane enttäuschte, der Iran ist empört über den Preis für „Argo“.

Gleich als erster wurde diesmal der beste männliche Nebendarsteller ausgezeichnet — und Christoph Waltz hat ihn verdient für seinen Dr. King Schultz in „Django Unchained“. Der 56-Jährige schaffte es, sich stammelnd ganz tief vor Filmemacher Quentin Tarantino zu verbeugen — und zugleich ungemein selbstbewusst zu wirken.

Der zweite Austro-Oscar war keine Überraschung: Michael Hanekes überragendes Altendrama „Liebe“ („Amour“) schien in der Kategorie Auslands-Oscar gesetzt. Die zahlreichen Preise, die er seit Mai erhalten hat, haben wahrscheinlich verhindert, dass er auch in anderen Kategorien berücksichtigt wurde.

Den großen Abräumer gab es in diesem Jahr nicht. Die meisten Preise gewann Ang Lee mit seinem „Life of Pi“: insgesamt vier Oscars. Der zum besten Film gekürte „Argo“ nahm drei Auszeichnungen mit. Daniel Day-Lewis holte seinen dritten Oscar als bester Hauptdarsteller — ein Rekord. Steven Spielberg trug seinen Favoritensturz von zwölf Nominierungen auf zwei Oscars äußerlich gefasst.

Seth MacFarlane war als erfrischend unkorrekter Witzbold angekündigt, weil er in seiner Zeichentrickserie „Family Guy“ Gags über Nazis, Sexvarianten und Blähungen unterbringt. Der multi-talentierte 39-Jährige blieb aber an diesem Abend blass wie seine Busenwitze.

Sie zog sich wie seit langem nicht mehr. Die Oscars sind mit ihren Ritualen immer eine antiquiert wirkende Veranstaltung. Doch muss man den Anstrich des vorigen Jahrhunderts noch dadurch bestärken, dass man Filmmusiken zum roten Faden des Abends macht und endlose Musiknummern auf die Bühne bringt? Natürlich haben Shirley Bassey und Barbra Streisand wunderbaren Retro-Charme, aber ein ganz klein wenig Originalität hätte das Programm wirklich erfrischt.

Die Oscar-Verleiher geben sich demonstrativ politikfern, was erklären würde, warum sie Kathryn Bigelows Ausnahme-Thriller „Zero dark Thirty“ über die Jagd auf Osama bin Laden mit nur einem Oscar für den Tonschnitt im Preis-Abseits landen ließen. Da überrascht der neue Kuschelkurs mit der Politik.

Präsidentengattin Michelle Obama wurde zugeschaltet und öffnete den Umschlag für den Gewinner in der Kategorie „Bester Film“: Ben Afflecks „Argo“, der nach einer wahren Begebenheit die spektakuläre Befreiung von sechs US-Diplomaten im Iran erzählt.

Der PR-Coup mit dem Weißen Haus wurde prompt zum Politikum. Der Iran reagierte verärgert auf den Auftritt der First Lady und das Oscar-Votum für einen „antiiranischen Film“. Teheran soll schon einen Gegenfilm planen. Der dürfte oscar-unverdächtig ausfallen.

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