Emmerich verfilmt Shakespeare

Der deutsche Regisseur arbeitet in Potsdam an seinem Film über den englischen Dichter.

Potsdam. Hollywood-Regisseur Roland Emmerich hat Potsdam ein neues Theater geschenkt - zumindest auf Zeit. Mitten im Gewerbegebiet erhebt sich ein rundes, dreistöckiges Theater aus Holz. Es ist dem historischen "Rose Theatre" in London nachempfunden, in dem die Stücke William Shakespeares (1564 bis 1616) aufgeführt wurden. Auf dem Gelände von Studio Babelsberg dreht Emmerich derzeit seinen Shakespeare-Film "Anonymous", macht seine Ankündigung, sich vom Katastrophenfilm abzukehren, also tatsächlich wahr.

Mit Hunderten Komparsen werden in dem spektakulären Theaternachbau, in dem Platz für mehr als 1000 Menschen ist, Szenen wie diese gedreht: Unter Applaus rufen die Theaterbesucher nach dem Autor des soeben über die Bühne gegangenen Stückes. Ein Mann kommt hervor, verbeugt sich unbeholfen. Er wird William Shakespeare genannt - aber ist er wirklich der Autor dieses bejubelten Stücks?

Diese Frage beschäftigt die Literaturwissenschaft seit langem und nun auch Emmerich (54), der bislang mit Filmen wie "2012" und "Independence Day" die Kinos füllte. Der neue Streifen werde politisch und kontrovers, sagt er. Nicht nur die Debatte um die Autorenschaft Shakespeares (gespielt von Rafe Spall) stehe im Mittelpunkt des 30-Millionen-Dollar-Films, es gehe auch um die Regentschaft von Königin Elizabeth I. von England (Vanessa Redgrave).

Für den Film musste das London des 16. Jahrhunderts mit seinen Fachwerkhäusern auferstehen. Emmerich setzt dafür vor allem auf Computertechnik. "Wir müssen tausende 3D-Modelle bauen", sagte Marc Weigert, der mit Oscar-Preisträger Volker Engel für die Spezialeffekte zuständig ist. Sie nutzen auch eine ganz neue Technik: Normale Fotos, auf denen historische englische Gebäude zu sehen sind, erscheinen dreidimensional, so dass der Eindruck entsteht, die Schauspieler bewegten sich in den Räumen.

Mit dem Film "Anonymous", der bis Juni komplett in Babelsberg entsteht, dreht Emmerich seit langem wieder in Deutschland. "Ich wollte immer zurückkehren", sagte er. "Ich habe schrecklich Spaß." Er sei stolz darauf, den Film mit englischen Schauspielern so zu machen, wie er es wolle. In Hollywood wäre es sehr hart geworden, einen solchen Film durchzusetzen.

Die Expertin und Emmerich-Beraterin Lisa Wilson sagt, einige Zweifler seien davon überzeugt, dass der Earl of Oxford der Urheber der Shakespeare zugeschriebenen Werke sei. Andere sähen eine Gruppe von Autoren am Werk. Die Zweifler bezögen sich etwa darauf, dass Shakespeares Schulbildung kaum ausgereicht haben dürfte, um Meisterwerke wie "Hamlet" oder "Der Kaufmann von Venedig" zu schreiben. Zudem existierten keine ihm zugeschriebenen Manuskripte oder Briefe.

Diejenigen, die die These vertreten, dass Shakespeare nicht der Autor ist, lägen vermutlich nicht falsch, meinte Filmemacher Emmerich. Auch Rhys Ifans macht die Stoßrichtung des Films deutlich: "Ich spiele den Earl of Oxford, den Autoren der Werke."

Emmerich hat bereits klargestellt, was er von seinem neuen Film erwartet: "Über ihn werden sich viele Leute aufregen, weil ich mehr oder weniger ein Monument vom Sockel stürze, das seit 400 Jahren angebetet wird."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Unwiderstehliche Grusel-Revue
Acht Schauspiel-Talente begeistern im Düsseldorfer Doppelstück „Das Sparschwein/Die Kontrakte des Kaufmanns“ Unwiderstehliche Grusel-Revue
Zum Thema
Aus dem Ressort