Interview Ein Plädoyer für den Erhalt des Düsseldorfer Opernhauses

Düsseldorf · Die Debatte über einen Neubau der Oper gewinnt an Fahrt. Ein Gespräch mit dem früheren Stadtplaner Hermann Stappmann, der gegen einen Abriss ist.

 Der Zuschauerraum im Opernhaus Düsseldorf.

Der Zuschauerraum im Opernhaus Düsseldorf.

Foto: Hans Jörg Michel

Herr Stappmann, Sie waren bis zu Ihrer Pensionierung Abteilungsleiter für Stadtplanung. Sie brachten 1988 zum Stadtjubiläum mit Uwe Maas einen städtebaulichen und architektonischen Führer zu den wichtigsten Bauwerken Düsseldorfs für den Bund Deutscher Architekten (BDA) heraus, dessen Mitglied Sie sind. Was halten Sie von einem Neubau der Oper an der alten Stelle?

Hermann Stappmann: Ich halte von einem Neubau gar nichts. Ich halte nur etwas davon, dass dieses Gebäude saniert wird.

 Hermann Stappmann erklärt, warum das Opernhaus in Düsseldorf erhalten bleiben muss.

Hermann Stappmann erklärt, warum das Opernhaus in Düsseldorf erhalten bleiben muss.

Foto: Helga Meister

Und warum?

Stappmann: Es gibt viele Gründe. Ich beginne mit dem städtebaulichen Grund. Er besteht darin, dass die Heinrich-Heine-Allee eine sehr homogene Blockstruktur aufweist. Der letzte Baukörper in dieser geschlossenen Struktur ist das Opernhaus. Er wird nur dadurch etwas betont, dass er auf der Straßenseite etwas aus der Flucht vorspringt. Das ist sehr wichtig.

Was ist mit der Fassade?

Stappmann: Sie stammt von Paul Bonatz, der das Haus 1954 bis 1956 sanierte. Sie hat etwas Vornehmes, fast Edles. Das ist sehr schön. Das sollte man nicht ignorieren. So der städtebauliche Aspekt.

Einschließlich der rötlichen Farbe?

Stappmann: Ja. Und des Balkons. Wo hat man schon ein Theater, wo man auf den Balkon treten kann, um die frische Luft zu genießen und auf die Heinrich-Heine-Allee zu blicken. Die neuen Pläne sehen aber wahrscheinlich vor, den Haupteingang, das Gesicht des Gebäudes, zum Hofgarten zu legen.

Der zweite Grund?

Stappmann: Er ist historischer Art. Das Stadttheater wurde 1873 bis 1875 mit Wilhelminischer Fassade nach dem Vorbild der Dresdner Semperoper erbaut und 1906 von Hermann vom Endt im Innern modernisiert und verschönert. Der Zuschauerraum fiel dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer. Das Gebäude wurde provisorisch wieder hergestellt, so dass dort im Oktober 1946 erstmals der Landtag des neu gegründeten Landes Nordrhein-Westfalen tagen konnte. Es war der Beginn des parlamentarischen Lebens in der Landeshauptstadt. So etwas kann man doch nicht einfach negieren. Den umfassenden Umbau mitsamt Wegnahme der alten Fassade planten dann Paul Bonatz und sein Schüler Julius Schulte-Frohlinde, der seit 1952 das Hochbauamt leitete.

Wer war denn Paul Bonatz?

Stappmann: Ein damals sehr bekannter Architekt. Er gehörte mit Peter Behrens und Wilhelm Kreis zur Lehrergeneration der Klassischen Moderne. Mit einer Entwicklung zwischen Lebensreform, Neoklassizismus und Neuer Sachlichkeit war er einer der erfolgreichsten Architekten seiner Zeit, mit einer Professur an der TH Stuttgart. Der Stuttgarter Hauptbahnhof stammt von ihm. In Düsseldorf errichtete er 1922 bis 1925 den Neuen Stahlhof, das Stumm-Gebäude mit dem kleinen Pförtnerhaus, damals das modernste Gebäude Düsseldorfs. Er baute auch 1936 für die Eisenhütten-Gesellschaft an der Sohnstraße das Hauptgebäude des Max-Planck-Instituts. Sein ehemaliger Assistent Schulte-Frohlinde schuf nach dem Krieg das Neue Rathaus mit der neo-klassizistischen Fassade, den Backsteinbau, der heute leer steht.

Was schätzen Sie am Opernhaus?

Stappmann: Es ist kein Fassadenbau, im Gegensatz zum Kö-Bogen, einem reinen Fassadenbau, Camouflage. Das Opernhaus von Bonatz betont das Vornehme, das Dezente. Es ist ein identitätsstiftender Baukörper aus der frühen Nachkriegszeit.

Sie halten also nichts von einem allseits geschwungenen, modischen Glaskasten, wie ihn Lippe-Weißenfeld ins Spiel bringt?

Stappmann: Davon halte ich nichts.

Und die Innenarchitektur, die Aufgänge? Können Sie dazu etwas sagen?

Stappmann: So schön und so weit. Es gibt viel Aufenthaltsraum für die Besucher. Die geschwungene Treppenanlage führt zum Foyer mit seinem natürlichen Licht, den geschwungenen Balkonen, der Wandmalerei von Robert Pudlich. Wir haben ein Abonnement fürs Opernhaus. Selbst am Buffet ist kein Gedränge, es ist immer Platz. Das gilt auch für die drei Ränge. Gewiss, das ist ein klassischer Aufbau. Den gibt es ja auch in Bayreuth. Was der Besucher als Raum erlebt und erfährt, ist eine sehr positive und ansprechende Architektur. Das hat mich immer viel deutlicher angesprochen als das Innere des Schauspielhauses, das doch eher kalt ist.

Jetzt Ihr drittes Argument?

Stappmann: Es ist die Identität mit der Zeit. Es ist in Düsseldorf eines der letzten, direkten Nachkriegsbauten. Es ist ein Trauerspiel, wie Düsseldorf mit Bauten aus der Nachkriegszeit umgegangen ist. Das alte Studienhaus von Bernhard Pfau, das Arag-Treppenhaus von Paul Schneider-Esleben, die Schlösser-Brauerei von Walter Köngeter am Stiftsplatz, der Tausendfüßler von Friedrich Tamms, all diese herausragenden Bauten der frühen Nachkriegszeit sind verschwunden.

Gibt es Argumente auch zum Denkmalschutz?

Stappmann: Nicht nur das Gebäude, sondern auch der Hofgarten stehen unter Schutz. Wenn man im Neubau Gastronomie oder was auch immer will, wird man an den Hofgarten herangehen müssen.

Nun heißt es aber doch in Düsseldorf, neue Opern seien angesagt. Wie sehen Sie das?

Stappmann: Man sollte sich lieber fragen, wie andere Städte mit ihren Theatern umgehen, Köln mit der Sanierung des Riphahn-Baus, die Berliner Staatsoper Unter den Linden, Hamburg mit seiner 50er Jahre-Oper. All diese Häuser werden saniert. Düsseldorf sollte nicht immer eine große Lippe riskieren und sich mit Sydney oder Oslo vergleichen. Es sollte eine Nummer kleiner spielen und sehr glücklich sein, dass es so ein Gebäude hat.

Ihr viertes Argument?

Stappmann: Das ist Duisburg. Noch vor der Eröffnung des Opernhauses schlossen 1955 die Städte Düsseldorf und Duisburg einen Vertrag zur „Begrenzung des finanziellen Aufwands“. Duisburg hat sein Desaster mit der alten Merkatorhalle hinter sich, die 2005 abgerissen wurde. An ihrer Stelle ist ein Gebäudekomplex mit Spielcasino, Büros, Geschäften, Gastronomie und Veranstaltungslocation entstanden und erntete dafür in der Fachwelt Spott und Hohn.

Duisburg wäre doch nicht für den Bau in Düsseldorf zuständig?

Stappman: Aber für die Frage: „Wo spielen wir Oper?“ Man muss sich doch zunächst einmal fragen, ob Duisburg mit im Boot ist, was den Neubau betrifft. Bisher tauschen sich die Städte Düsseldorf und Duisburg ihre Bühnenbilder aus. Ob das noch möglich ist, wenn Düsseldorf ein größeres Haus plant, müsste gleichfalls geklärt werden. Die Oper wäre auf alle Fälle für einige Jahre tot. Die aktuellen Überlegungen sind allesamt ohne Grund und Boden. Ganz zu schweigen von den Kosten, die ein Mehrfaches der Sanierung betragen würden.

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